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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 67

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. 67 Unbefangenheit unseres Blickes trüben müßten! Hören wir endlich auf, jeden Vorwurf wegen unsrer politischen Erbärmlichkeit mit der albernen Entschuldigung: wir sind eben keine Nation! zu beantworten. Kann diese Entschuldigung gelten, so darf mit gleichem Recht der Träge sich auf seine Faulheit, der Wüstling auf seine Begierde, der Trunkenbold aus seinen Durst berufen. Wenn wir keine Nation sind, warum werden wir keine? Eben weil wir keine Nation sind, möge alles, was deutscher Zunge ist, sich vereinigen zur Wiedergeburt und Erneuerung des gemeinschaftlichen Vaterlands! Auch dies ist eine Pflicht, und wahrlich keine der geringsten. Denn es giebt auch eine Pflicht, sein Eigentum zu retten und auf Anerkennung seiner Rechte zu bestehen. Selbst der Stifter unserer duldsamen Religion hat diese Anerkennung gefordert, wo der Zweck seiner Sendung es erheischte; und wo er duldete und Duldung predigte, geschah es nicht aus Nachgiebigkeit und Feigheit, sondern um der Liebe willen. Zu dieser Einsicht muß das deutsche Volk gelangen, daneben aber auch das Vorurteil ablegen, daß die Deutschen von Natur auf ein rein innerliches Leben angewiesen seien. Die menschenscheue Zurückziehung auf sich selbst, die krankhafte Richtung nach innen, die Zaghaftigkeit und das linkische Wesen im Handeln ist lediglich Folge ihrer Zerrissenheit und der davon unzertrennlichen, bodenlosen Armseligkeit ihrer staatsbürgerlichen Verhältnisse, der absoluten Nichtigkeit und Spießbürgerlichkeit alles öffentlichen Treibens, wobei ein minder lebenskräftiges Volk schon lange ganz verkommen wäre. Bis zum dreißigjährigen Kriege waren die Deutschen eine Nation voll Lebensmut und Lebensfrische, voll hinausstrebender Kraft und Tüchtigkeit. Der Ungestüm der Deutschen (furore tedesco, fieros Alemanes) war sprichwörtlich geworden, und auch jetzt trifft man einen Charakterzug des kriegerischen Nordens, jenen den Tod herausfordernden Lebensübermut, dem es beim Kampfe nicht um Ruhm oder Frauengunst, sondern um die Lust des Kampfes selbst zu thun ist, gewiß am häufigsten noch bei dem deutschen Soldaten, wie sich denn auch in dieser Beziehung in den Revolution^ und Kaiserheeren die Deutschen Kleber, Rapp und Ney besonders ausgezeichnet. Allerdings hat aber seit der Reformation das geistige Princip in Deutschland sich mit entschiedenem Übergewichte geltend gemacht, und je mehr der Kampf der neuen Zeit mit der alten eine geistig sittliche Wendung nimmt, um so mächtiger und entscheidender muß der Einfluß Deutschlands werden; es wird wieder erstehen ans der Asche der
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