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1. Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte - S. 64

1895 - Gera : Hofmann
64 Drittes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der äußeren Geschichte. das Interdikt über die Hauptstadt, umsonst forderte das Konzil die 452 Edelleute, dann sogar den König Wenzel und seine Gemahlin vor seinen Richterstuhl, umsonst machte Sigismund den Bruder für alle Folgen fortgesetzten Widerstandes verantwortlich. Wenzel, jetzt ganz beherrscht von seinen hussitischen Vertrauten Nikolaus Pistua von Hussiuez und Johann Ziska von Trotschnow, erklärte noch im Januar 1419, er wisse nichts von Ketzerei in Böhmen, und lenkte erst im Februar wieder ein, indem er die Wiedereinsetzung der vertriebenen Geistlichen befahl. Doch jetzt war es zu spät. Die Bewegung hatte schon die Massen des Landvolkes und des städtischen Kleinbürgertumes ergriffen und nahm hier alsbald einen schwärmerisch-radikalen Charakter an. Überall im Lande beriefen die verjagten hussitischen Prediger ihre Anhänger ins Freie, nach den Bergen zum Gottesdienst. So sammelten sich vor allem auf dem „Tabor", einer ausgedehnten Hochebene über der Luschuiz, am 22. Juli 1419 über 42 000 fanatisch erregte Menschen zu Gebeten und zur Austeilung des Abendmahles in brüderlicher Liebe und Eintracht ohne Unterschied des Standes und Vermögens. In Prag und Umgegend brachte die Zurückgabe sämtlicher Kirchen an die Katholiken (bis auf drei) und die Einsetzung eines katholischen Rates in der Neustadt die größte Aufregung hervor. Als nun am 30. Juli 1419 der fanatische Mönch Johann von Seelau und Johann Ziska mit einer bewaffneten Prozession der Stephanskirche sich bemächtigten, da stürmten auf dem Rückwege die Rasenden das Rathaus der Neustadt und stürzten die Ratsherren aus den Fenstern hinunter in die Speereisen der unten harrrenden Haufen. Die Kunde von dem gräßlichen Ereignis brachte dem König Wenzel den Tod; vom Schlage getroffen, verschied er am 16. August auf Schloß Kuudratitz. Nun brach in Prag alles zusammen. Fanatische Hausen stürmten Kirchen und Klöster und ermordeten die Geistlichen; was sich von diesen rettete, flüchtete mit den meisten Deutschen aus der Stadt. Hussitische Parteien. Indessen die Huffiten selber zerriß ein tiefer Gegensatz. Die gemäßigte Partei, die „Prager" oder „Kalixtiner" (Kelchner), der Adel und die Universität, erstrebten nur eine Reform der Kirche in national-tschechischem Sinne, aber keinen Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung; die „Taboriten" dagegen wollten nicht nur in Lehre, Kultus und Verfassung der Kirche alles das beseitigen, was nach ihrer Ansicht in der Bibel nicht geboten war, also die mittelalterliche Kirche vernichten, sondern auch Staat und Gesellschaft auf biblischer Grundlage aufbauen, mit Ausschluß jedes „fremden", deutschen wie römischen, Rechts, also eine theokratische Republik des „heiligen" tschechischen Volkes mit Gütergemeinschaft und allgemeiner Wehrpflicht aufrichten. Sie richteten gemeinsame Kassen ein, gliederten sich in Kriegs- und Friedensgemeinden, die abwechselnd den Dienst thaten; die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten übernahm seit September 1420 ein Bischof. Ihre Hauptburg wurde das im Februar gegründete Tabor, ihr Führer der einäugige Johann Ziska, ein Mensch „ohne Furcht, ohne Bildung, ohne Erbarmen", ein fanatischer Feind der alten Kirche und der Deutschen. Neben diesen beiden großen Parteien tauchten auch extreme Sekten auf, wie die kommunistischen Pikarditen (Begharden) und die panteistisch-kommunistischen Adamiten oder Nikolaiten,
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