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1. Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte - S. 98

1895 - Gera : Hofmann
98 Drittes Buch. Ii. Abschnitt: Bilder aus dem deutschen Volksleben. Die Reichstage verloren inzwischen immer mehr an Ansehen und ihre Verhandlungen an Interesse, weil viele Reichsstände, statt persönlich auf denselben zu erscheinen, sich nur noch durch Bevollmächtigte vertreten ließen. Je mehr die Einheit des Reiches verfiel, desto mehr rückte der Schwerpunkt des öffentlichen Lebens in die Einzelstaaten. Die Landesherren, welche jetzt völlig unabhängig über die wichtigsten Anstalten für Verkehr und bürgerliches Leben, wie Zoll, Münze, Markt, über Gerichtswesen u. s. w. verfügten, richteten zur Regelung aller dieser Angelegenheiten allmählich eine förmliche Landesverwaltung ein, umgaben sich mit einer Beamtenschaft und zwangen Geistlichkeit, Ritterschaft und Städte zur Befolgung der von ihnen ausgehenden Verordnungen. Auch glaubten sie in ihrer neuen Stellung ihren Hofhalt erweitern, die Zahl der Hofbeamten vermehren, den Glanz und das Ceremoniell des Hofes steigern zu müssen. Das alles aber kostete Geld, zum Teil viel Geld. Die Einkünfte aus den landesherrlichen Gütern („Domänen") reichten dazu nicht aus. Weitere Einnahmen — außer etwa Gerichtssporteln — gab es nicht. Abgaben der Unterthanen an den Landesherrn waren nicht üblich; nur eine sog. „Beihilfe" (adjutoria) ward — nicht sowohl dem Landes-, als dem Lehnsherrn — in ganz besondern Fällen von Ritterschaft und Geistlichkeit, auch wohl von den Städten, geleistet. Solche Fälle waren: die Lösung des Lehnsherrn aus der Gefangenschaft und die Aussteuer einer Tochter desselben. Aber auch diese Beihilfe durfte nicht willkürlich erhoben, mußte vielmehr mit den Beteiligten vereinbart werden. So vertrugen sich 1276 die Herzöge von Mecklenburg mit ihren Vasallen über die Höhe der Töchteraussteuer; so beurkundeten ein paar Herzöge von Braunschweig-Lünebnrg 1390 ausdrücklich, „daß ihre Mannen sie nicht aus Pflicht, sondern aus freiem Willen durch eine Geldhilfe aus der Gefangenschaft gelöst hätten." Einen Zuschuß zu den laufenden Ausgaben (oder zur Deckung von Schulden, die sie gemacht, weil sie jene nicht zu bestreiten vermocht hatten) konnten die Landesherren noch viel weniger fordern, höchstens erbitten. Eine daraufhin bewilligte Steuer hieß daher Bede (petitio oder precaria), als eine vom Landesherrn erbetene, von den Zahlenden nur freiwillig gewährte Gabe. In einem bayerischen Steuerausschreiben von 1302 ist gesagt: „Unsere lieben Getreuen haben uns durch ihren treuen Willen mit einer Viehsteuer geholfen, die sie uns erlaubt haben — williglich und gütiglich —, von ihren Leuten zu nehmen." 1438 erklärten die Herzöge Friedrich der Streitbare und Wilhelm von Sachsen, ihre Mannen, Städte und Unterthanen wollten freiwillig ihnen eine Steuer und Accise auf zwei Jahre zu ihren Schulden und Nöten geben. Solche Vereinbarungen über eine zu bewilligende Steuer fanden immer mit einer ganzen Körperschaft statt: der Ritterschaft, der Geistlichkeit, den Städten. Die eigentlich Zahlenden freilich waren meist die Hintersassen der beiden ersteren und die Bürger in den Städten: für ihre eigenen Personen und ihre Güter wußten namentlich Ritter und Geistliche sich in der Regel steuerfrei zu halten. Jede derartige Leistung an den Landesherrn erschien nach damaligen Verhältnissen als eine Privatsache zwischen ihm und denen, welche sie
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