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1. Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte - S. 279

1895 - Gera : Hofmann
5. Die Jahre des Widerstreites und der Versuchung. 279 wieder abschaffen könne, war auf die Fahne geschrieben; sie sollte die Schlinge für Luther werden; Eck war der erkorne Vorkämpfer und Schildhalter der Leipziger. Ein echter Sohn der verweltlichten Kirche der Zeit nahm er an der Frohnleichnamsprozession teil „sehr devot in seinem Meßgewand", verglich aber auch, wie wir in seinen Briefen lesen, das sächsische Bier mit dem bayerischen und „ließ die schönen Sünderinnen in Leipzig nicht unbemerkt." Stadt, Hof und Universität waren in größter Spannung und Aufregung. In allen Gemütern herrschte das Gefühl, daß zwei prinzipielle Gegensätze zur Entscheidungsschlacht geführt würden. In den Herbergen mußten Wächter mit Partisanen aufgestellt werden, um Studenten und Bürger von blutigen Raufhändeln abzuhalten. Ein Anschlag des Bischofs von Merseburg, zu dessen Sprengel Leipzig gehörte, daß die Disputation nicht abgehalten werden sollte, fand keine Beachtung. Es war am 27. Juni des Jahres 1519, daß in dem festlich geschmückten, von Zuhörern gefüllten Saale der alten Pleißenburg, welche Herzog Georg zu dem geistlichen Wettkampf hatte Herrichten lassen, die Leipziger Disputation ihren Anfang nahm. Der Herzog selbst mit seinem ganzen Hose und vielen vornehmen Personen wohnte dem Schauspiel bei und folgte neunzehn Tage hindurch dem Gange der Verhandlungen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Das viertägige „Wortgezänke" zwischen Karlstadt und Eck über den freien Willen, wobei der erstere mit seiner augustinischen Auffassung stark ins Gedränge geriet, diente nur als Vorgefecht. Karlstadt trug wenig Ruhm davon. „Er brachte Bücher mit, las daraus vor, schlug weiter nach und las wieder vor; auf die Einwendungen, die sein Gegner heute äußerte, antwortete er erst am andern Morgen. Welch ein ganz anderer Disputator war da Johann Eck: — er besaß seine Wissenschaft zu augenblicklichem Gebrauch. Er studierte nicht lange: unmittelbar von einem Spazierritt bestieg er das Katheder; ein großer Mann von starkem Gliederbau, lauter, durchdringender Stimme; indem er sprach, ging er hin und her; auf jedes Argument hatte er eine Einrede in Vorrat; sein Gedächtnis, seine Gewandtheit blendeten die Zuhörer". Äm 4. Juli trat Luther selbst in die Schranken. „Er war von mittlerer Gestalt, so schildert ihn Ranke nach einem zeitgenössischen Bericht, damals noch sehr hager, Haut und Knochen; er besaß nicht jenes donnernde Organ seines Widersachers, noch sein in mancherlei Wissen fertiges Gedächtnis, noch seine Übung und Gewandtheit in den Kämpfen der Schule. Aber auch er stand in der Blüte des männlichen Alters, seinem 36. Lebensjahre, der Fülle der Kraft; seine Stimme war wohllautend und deutlich; er war in der Bibel vollkommen zu Hause, und die treffendsten Sprüche stellten sich ihm von selber dar; — vor allem, er flößte das Gefühl ein, daß er die Wahrheit suche. Zu Hause war er immer heiter, ein vergnügter scherzhafter Tischgenosse: auch auf das Katheder nahm er wohl einen Blumenstrauß mit; hier aber entwickelte er den kühnsten, selbstvergessenen Ernst: aus der Tiefe einer bisher noch nicht vollkommen zum Bewußtsein gediehenen Überzeugung erhob er neue Gedanken und stellte sie im Feuer des Kampfes mit einer Entschlossenheit fest, die keine Rücksicht mehr kannte; in seinen Zügen las man die Macht der Stürme, welche
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