Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte - S. 304

1895 - Gera : Hofmann
304 Viertes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der deutschen Reformation. wie auf einer Warte, um die Vorgänge auf dem Reichstage zu beobachten, den geeigneten Moment zum Losschlagen zu erspähen und das Signal zur Gewaltthat zu geben. Ein Blick auf diese Dinge und Personen mußte die Politiker zur Vorsicht einladen: sie durften nichts wagen, sie mußten im Einvernehmen mit der Mehrheit der deutschen Fürsten die Verhandlungen zu beenden und ihr Ziel, die Vermeidung der Revolution und die Beseitigung der Lutherschen Neuerungen, zu erreichen streben. So wurde denn die kirchliche Angelegenheit in den Reichstag gebracht. Ein päpstliches Breve wurde den Reichsständen mitgeteilt; dann erschien Aleander und hielt eine dreistündige Rede, in welcher er auf die Ketzereien Luthers allen Nachdruck legte. Darauf proponierte der Kaiser ein Edikt, das die päpstliche Verdammung zur Basis nahm. Als die Stände darüber berieten, zeigten sich große Differenzen, aber auch viele erklärten sich zu Luthers Gunsten. Die alten Beschwerden über das Papsttum brachte man jetzt vor. Ganz allgemein war bei allen Ständen des Reiches das Verlangen, die mißbräuchliche Praxis des päpstlichen Hofes abgestellt und eine Revision der Konkordate des vorigen Jahrhunderts vorgenommen zu sehen. Und diesen Bestrebungen stand der Kaiser selbst nicht ablehnend gegenüber. In der Sache Luthers dagegen kam es zu heftiger Diskussion: Kurfürst Friedrich von Sachsen und Kurfürst Joachim von Brandenburg wurden nahezu handgreiflich in ihrem Streite; und das Ende war, daß man Luther nicht ungehört zu verdammen, sondern ihn nach Worms zu zitieren beschloß, nicht sowohl zu materieller Verhandlung über die schwebenden Fragen als zur Entgegennahme seines Widerrufes aller Ketzereien. Es war ein Kompromiß verschiedener Tendenzen, das damit zu Stande gekommen. Kaiser Karl, der persönlich zu rascher Entscheidung, zu kirchlich gehorsamer Aktion geneigt, hatte sich von seinem ersten Minister, dem Herzog von Chievres, zu dieser Nachgiebkeit an seine Reichsstände bestimmen lassen: in dem „Temporisieren", in dem Aufschub der Entscheidung, der für eine Bearbeitung einzelner Stände Raum gab, zeigte sich die persönliche Art von Chievres. Einer der anderen Minister, der Kanzler Gattinara, war der Ansicht, alle die hier angeregten kirchlichen Fragen, — ebensowohl die Sache Luthers als die Beschwerden der Nation gegen Rom — könnten allein auf einem Konzile zur Erledigung und Beruhigung gelangen. Wenn Luther an ein solches appelliert, wenn auch im deutschen Volke sich viele schon jetzt für ein solches ansprachen, so sehen wir hier, wie auch ein sehr einflußreicher Politiker Karls diese Idee schon 1521 aufgegriffen hat. Noch aber nahm die kaiserliche Politik dies Konzil nicht in ihr Programm auf: erst einige Jahre nachher ist Gattinara auf die konziliare Idee zurückgekommen. Aleander war zuerst von dem Beschlusse nicht sehr zufriedengestellt. Er bestürmte den Papst, Nachgiebigkeit in allen politischen Dingen Karl zu bezeigen; er sah die ungeheure Gefahr ein, daß man mit einem von der Kirche verworfenen Ketzer auf dem Reichstage noch verhandeln wollte! Chiövres scheint diesen Eindruck der Maßregel nicht ungern gesehen zu haben; die letzten Bedenken des Papstes gegen die Allianz wurden dadurch bald
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer