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1. Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche - S. 54

1909 - Regensburg : Manz
54 Der Gregorianische Gesang. Die Meßliturgie und das Stundengebet. Johannes Diaconus, der Biograph des Papstes, sah noch das Zimmer neben dem Lateran und das Ruhebett, auf welchem Gregor, alt und gichtbrüchig, den Gesangunterricht erteilte, auch die kleine Rnte, mit welcher der Papst den Schülern die Fehler abzugewöhnen suchte' Die Grundlagen, ans welche Gregor den kirchlichen Gesang stellte, sind unverändert geblieben und die aus seiner Zeit stammenden Melodien sind jedenfalls im großen und ganzen noch dieselben, weshalb der offizielle römische Kirchengesang mit Recht den Namen des Gregorianischen führt. Die Benennuug desselben als cantus choralis erklärt sich daraus, daß die im Gregorianischen Antiphonar enthaltenen Gesänge zumeist vom offiziellen Sänger-' chor und zwar in dem Ranm ausgeführt wurden, welcher vom chorus cantorum den Namen „Ghor der Kirche führte. Welch großartigen Eindruck die Tätigkeit Gregors auf dem Gebiete der Musik auf die Völker machte, zeigt eine liebliche Legende. Als Gregor in einer Nacht darüber nachdachte, wie er die Musik in den Dienst der Kirche ziehen könnte, hatte er ein Gesicht, worin ihm die Kirche in Gestalt einer herrlich geschmückten Muse erschien. Sie zeichnete vor seinen erstaunten Augen ihre Lieder und Gesänge auf und versammelte dabei alle ihre Kinder unter ihrem weiten faltigen Mantel. Auf demselben erblickte er in leuchtender Schrift die verschiedenartigen Töne und Tonarten und Symphonien; der Papst erbat sich von Gott die Gnade, daß alles, was er geschaut, in seinem Gedächtnisse hafte. Als er sich am folgenden Morgen anschickte, alles aufzuschreiben, was er in der Nacht geschaut, kam eine Taube geflogen, setzte sich ans seine Schulter und diktierte ihm jene wunderbare Musik, durch die er die Kirche verherrlicht hat. Sein Antiphonarinm ist nur mehr in einem einzigen Exemplar vorhanden, nämlich in St. Gallen; daß es aber von Gregor-selbst geschrieben und von seinem Schüler Romanns (Pseudonym für einen Mönch, der das ursprüngliche Autiphouarium wahrscheinlich in Bobbio abgeschrieben) nach St. Gallen gebracht worden sei, ist nicht mehr haltbar. Die neuesten Resultate der Musikgeschichte über den Ursprung der Choralmelodien weisen in Bezug auf die sogenannten Melismatischen (reichen) Gesänge auf Jerusalem und Antiochien, bezüglich der einfachen aber, z. B. Hymnen, Antiphonen, auf römisch-antike Vorbilder hin. Die meisten Gesänge kamen vom Orient über Mailand nach Rom. Gregor paßte sie dem abendländischen Charakter an. Zugleich mit dem Gesang führte Gregor auch die römische Meßliturgie und das Stundengebet ihrer Vollendung zu. Seit Gregor dem Großen ist der römische Ordo Missae säst unverändert geblieben; das Sacramentarium Gregorianum bildet das erhabenste Denk- mal der Liturgie und das römische Brevier bezeichnen die mittelalterlichen Litnrgiker kurzweg als »officium Gregorianum«. Es kann als ausgemacht gelten, daß Gregor unter dem Einfluß des Benediktinerbreviers den ganzen Psalter auf die Woche für die einzelnen Gebetsstunden schon so verteilt hat, wie er mit geringen Ausnahmen noch jetzt ist. Wenn diese kurze Darstellung der vielseitigen Tätigkeit Gregors uns mit hoher Achtung vor dem großen Geiste und Eifer dieses Papstes erfüllen muß, so steigert sich unsere Bewunderung, wenn wir erfahren, daß er während seines ganzen Pontifikats mit Krankheiten heimgesucht war, welche seit dem Jahre 599 seine Schmerzen in dem Maße erhöhten, daß er mehrere Jahre hindurch das Bett nicht mehr verlassen konnte. Aber auch die schmerzlichsten körperlichen Leiden konnten seine Tätigkeit nicht hemmen; er fuhr fort, von dem Krankenlager aus die Kirche zu regieren und in das politische Leben seiner Zeit einzugreifen. Am 11. März 604 starb Gregor, nachdem er 13 Jahre, 6 Monate und 10 Tage den Stuhl Petri innegehabt. Die Beschreibung, welche Johannes Diaconus (im 9. Jahrhundert) nach einem wahrscheinlich noch bei Gregors Lebzeiten gemalten Bilde von dessen Äußern entwirft, mit der hohen Stirne und den edlen milden Zügen, führt uns das ausdrucksvolle Antlitz
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