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1. Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker - S. 38

1910 - Regensburg : Manz
38 Heinrichs fünfte Gemahlin. Katharina Paar. Reform der englischen Kirche. Anna von Cleve. Sie erhielt einen Jahresgehalt von 3000 Pfund, einen eigenen Palast und den Titel „Adoptivschwester des Königs" und lebte, allgemein beliebt, bis 1557. Der König erwählte seine fünfte Gemahlin wieder aus den Eingebornen des Landes, Katharina Howard. Nach Jahresfrist wurde diese hingerichtet, weil sie eingestand, vor ihrer Vermählung sich gegen die Keuschheit vergangen zu haben, und ein Statut erschien, welches die Pflicht vollkommener Jungfräulichkeit für künftige Königinnen festsetzte. Die Verhehlung eines Fehltrittes vor der Ehe wird mit derselben Strafe belegt, wie Verhehlung von Verrat. Die sechste Königin war Katharina Parr. Sie kam ihrem Untergange nahe, als sie lutherische Bücher las und die Untrüglichkeit des Papstes von England, der zugleich ihr Gemahl war, zu bezweifeln anfing. Nur ihre Klugheit rettete sie. So wenig erbaulich diese Ereignisse sind, so charakteristisch sind sie für die von Heinrich ausgegangene gewaltsame Reformation der englischen Kirche. Nicht geringen Anteil freilich hatte die charakterlose Schar von Schmeichlern, die den König nmgab und deren Geschäft es war, die Maßregeln des Tyrannen nicht nur zu billigen, sondern als die besten und heiligsten zu preisen. Cromwell war unerschöpflich im Lehren des unbedingten Gehorsams; Cranmer, ein Mann, aus dessen düsterem Innern wenigstens dann ein matter Strahl der Gottessnrcht schimmerte, wenn das Gewölk der Menschenfurcht ruhiger trieb, entblödete sich nicht, das Gewissen des edlen Thomas Morus mit dem erklärten Willen des Königs zu bekämpfen. Der Pesthauch dieser Lehre vom unbedingten Gehorsam hatte den ganzen Hof und dessen ganze Umgebung ergriffen. Bei jeder Eröffnung des Parlaments strömte alles von Schmeicheleien über; Heinrich hörte sich einen „Salomon an Weisheit," einen „Sirnson an Stärke," einen „Absalom an Schönheit" nennen. War es ein Wnnder, wenn der Tyrann zuletzt wirklich an seinen Primat und seine Unfehlbarkeit glaubte? Was seine Reformen im englischen Kirchenwesen selbst betrifft, war er weit entfernt, seinen deutschen Vorgängern zu folgen; vielmehr blieb die Reform der englischen Kirche auf einen weit engeren Horizont beschränkt. Seine berühmten sechs Artikel von 1539, die sogenannten Blutartikel, lehren die Transsubstantiation, entziehen den Laien den Kelch, halten den Zölibat des Klerus, die Gelübde der Mönche und Nonnen fest und lassen die Seelenmessen und Ohrenbeicht bestehen. Das Lesen der Bibel wurde den Laien auf eine Zeitlang erlaubt, bald aber für das Volk zurückgenommen und ans Leute von Stand beschränkt. Das Charakteristische der königlichen Reformation lag also weniger in der Umgestaltung des Dogmas als vielmehr in der tyrannischen und willkürlichen Durchführung der von Heinrich beliebten Reformen. Vor allem mußte sein Supremat respektiert werden. Ketzer in diesem Punkte traf die Strafe der Hinrichtung. Aber auch allen Übertretern der sechs Artikel waren die schwersten Strafen, verstockten Sündern der Tod angedroht. Jede beliebige Änderung seiner Kirchensatzungen behielt sich der König ausdrücklich für die Zukunft vor. In seiner letzten Zeit lebte Heinrich ganz den Freuden der Tafel. Das geistliche Oberhaupt Englands nahm infolgedessen so an körperlichem Umfang zu, daß es sich nur in einem Rollsessel von einem Zimmer ins andere bewegen konnte. Er war nicht mehr imstande zu schreiben; drei Kronbeamte mußten seinen Namen in seiner Gegenwart nachzeichnen; zugleich litt er an einem ekelhaften Geschwür an dem einen Fuße. Vor feinem Tode widerrief er die Erklärung, durch welche er Maria und Elisabeth von der Thronfolge ausgeschlossen hatte. Der Henker im Purpurmantel sprach noch die Worte: „So habe ich das Reich, das Leben und die Seele verloren" und starb am 28. Januar 1547.
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