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1. Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker - S. 283

1910 - Regensburg : Manz
Leopold in seinen jugendlichen Jahren. 283 einem roten Mantel und ließ diesen so über den Stuhl fallen, das; der Stuhl rot ausgeschlagen zu fein schien. Eine andere Auszeichnung suchten die kurfürstlichen Gesandten darin, daß ihre Stühle auf den Teppich, der unter dem Baldachin des den Kaiser vertretenden Prinzipalkommiffarius ausgebreitet war, jene der fürstlichen Gesandten auf den bloßen Boden des Zimmers gestellt werden sollten. Die Rangordnung der Gesandten und ihrer Gemahlinnen Bei Gastgeboten und andern Feierlichkeiten festzusetzen, war eine äußerst schwierige Aufgabe, wenn Gesandte geistlicher und weltlicher Fürsten ober kurfürstliche mit auswärtigen Gesandten zweiten Ranges zusammentrafen; die Reihenfolge der Gesanbten konnte Anlaß zu biplomatifchen Befchwerben und Eröffnungen geben. Dieses künstliche Gewicht der leeren Form senkte sich naturgemäß von oben bis unten und lagerte zentnerschwer über allen Gebieten des beutscheu Lebens. Titel und Formalien würden zu einer Länge gebehnt, welche einen beträchtlichen Teil des Daseins in Worten verzehrte. Umstänblichkeit und Weitschweifigkeit, Überlabung und Erhebung des Unwesentlichen über das Wesentliche würden die hervorftecheuben Merkmale der politischen wie der geselligen Denkungsart und Hanblungsweise der Deutschen bieses Jahrhunberts, ihre Rebe und Schrift die getreuen Spiegel biefer Gesinnung. Leopolds Charakter. Die Dauer der Regierung Levpolbs, die 47 Jahre währte, wirb nur von der Friebrichs Iii. übertreffen; an großen Ereignissen aber ist sie eine der reichsten und bebeutfamsten gewesen. Schon aus biesem Grunbe ist eine Charakteristik Leopolbs hier am Platze; noch mehr bes-wegen, weil biefer Kaiser das Schicksal hat, häufig ungerecht beurteilt zu werben, inbem man vieles feinem Charakter aufbürdet, was ungünstige und unabänderliche Zustände der Zeit und des Reiches verschuldeten. Die Nachwelt hat freilich den Ehrennamen des „Großen", welchen Schriftsteller feiner und der nächsten Zeit Leopold beilegten, mit ihrem Maßstabe für Fürftengröße nicht übereinstimmend gefunden; doch hat sich die von ihm gewählte und beharrlich festgehaltene Politik als der rechte Weg Österreichs auch im weitern Fortschritte bewährt und feiner Einsicht und Festigkeit, seiner standhaften Ausdauer in gefaßten Entschlüssen und feiner Unverzagtheit in jeglichem Geschick kann ohne Ungerechtigkeit ihr hoher Wert nicht abgesprochen werden. Leopold zog niemals selbst zu Felde; aber ihm gebührt das Verdienst, die zwei großen Feldherren, die das gute Glück seines Hauses durch die Vermittlung Lubwigs Xiv., der den einen vertrieb, den andern von sich stieß, ihm zuwandte, den Herzog Karl von Lothringen und den Prinzen Eugen von Savopen, an die rechte Stelle gesetzt zu haben. Man hegte große Hoffnungen von ihm; nach feiner Kaiserwahl las man in Augsburg in den Händen der Merkurstatue auf dem Stadtbrunnen bte Schrift: »Laetare, patria, Leopoldus I. imperat.« Sein Wuchs war mehr klein als groß, sein Körper stark, gesunb, rüstig, der Blick ernst und in den letzten Jahren kummervoll, das Gesicht durch bte große herabhängend Unterlippe entstellt. X5tn x5cthre 1659 schreibt Sagrebo von ihm: „Er verlebt feine Jugenb in der Reinheit und Unfchulb der Sitten. Sie ist beispiellos bei einem Privaten, aber wunberbar bei einem Prinzen, der kein anberes Gesetz zu kennen braucht als seinen Willen. Er liebt die Arbeit und ist sehr fleißig. Die Art seines Vaters, welcher die Staatsgeschäfte mit großer Klugheit
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