Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker - S. 544

1910 - Regensburg : Manz
544 Kongreßbilder. Napoleon bei Nizza gelandet. Reiterzüge, Musterungen mtb Feldübungen der Truppen. Heute ein wenig passendes Totenamt für ßitbiuig Xvi., am 5(6enb 33ctsl, am andern Tage eine Prachtüberladene Schlitten-fahrt. Die Staffage in diesem großen Zeitbilde war von der außerordentlichsten Mannigfaltigkeit. In dem engeren Staotranme von Wien zusammengedrängt, wogten so viele Fürsten mit ihrem Gefolge, so viele literarische, kriegerische und politische Größen, der prunksüchtige Adel von Österreich, Ungarn und Böhmen mit seinen fremden Gästen, die leichtfertigen Witzlinge der Salons, die dentschtümelnden oder weltbürgerlichen Sonderlinge, Wüstlinge und Abenteuerer, Gaukler und Spieler, Täuzer und Sänger in Massen durcheinander. Die ver-seinertsten Leidenschaften des Westens kreuzten sich mit den roheren der halborientalischen Großen. Die vornehme Welt stellte ihre Schönheiten zu Schau und Kauf um die Wette mit den feilen Tänzerinnen, die ungeheure Summen davontrugen. Die frivolen oder gefallsüchtigen Witzbolde, der mephistophelische Chor in dem Schauspiele trugen dann die gewürzten Geheimnisse dnrch die Gesellschast. In der Presie wurden diese beißenden Stimmen wenig laut; desto breiter waren die dithyrambischen Festschilderungen, die die Federkünstler der deutschen Minister an den österreichischen Botschafter schrieben. Da plötzlich wurden mittags am 7. März die Sinne geblendet, es blitzte und ein dumpfer Douuer hallte nach. Der Blitz war die Nachricht, daß Napoleon am 26. Februar die Insel Elba verlassen habe und mit seiner Kriegsmannschaft auf 6 Schiffen nordwärts stenernd gesehen worden sei. Der Eindruck dieser Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer durch gauz Wien verbreitete, ist nicht zu beschreiben. Jedermann fühlte, daß dieser Schlag eine Schicksalswenduug sein werde. Alle Gesichtspunkte waren durch ihn verrückt, jeder Halt unsicher, jede Bewegung gehemmt. Doch sah man noch Männer, die nicht aus der Fassung kamen. Der Kaiser Alexander sagte, das Ereignis werde ein gering- fügiges sein, sobald man es nur als solches behandle. Der Gleichmut des Fürsten von Metternich blieb unerschüttert, sein Blick erkannte auf der Stelle, daß Frankreich mehr bedroht sei als Italien; aber auch der so leicht erschreckbare Gentz blickte mutvoll der allgemeinen Gefahr ins Antlitz. Humboldt rief aus: „Vortrefflich! das gibt Bewegung." Der Mann aber, der im ersten Augeublick vor Schrecken fast erstarrte, war Talleyrand. Freilich war er auch wie kein anderer beteiligt; doch zeigte er sich bald wieder in seiner Stärke, ruhig. Er fürchtete zunächst für Italien. Als aber die Nachricht kam, Napoleon sei in Frankreich gelandet, fühlte man sich der unmittelbaren drückenden Sorgen überhoben. An Frankreich schien ja der Vorstoß gleich im Beginne zerschellen zu müssen. Als man nun wieder sich besonnen und ermutigt hatte, brachen ungehemmt die Leidenschaften aus und Haß und Wut machte sich in den wildesten Reden Luft. Frauen wetteiferten mit den Männern, den Helden des Tages, der sie durch sein bloßes Erscheinen erschütterte und schreckte, zu schmähen und zu verachten. Diese Stimmung benützte Talleyrand. Auf seinen Antrag wurde durch gemeinsamen Beschluß vom 13. März Napoleon in die öffentliche Acht erklärt. Zugleich versicherten die europäischen Mächte, daß sie fest entschlossen seien, den Vertrag zu Paris vom 30. Mai 1814 mit allen Mitteln durchzuführen und alle ihre Mühe aufzubieten, um den allgemeinen Frieden, den Gegenstand der Wünsche Europas, nicht von neuem stören zu lassen. Aber der Eindruck dieser Erklärung wurde bald geschwächt durch die Nachrichten, die in rascher Folge aus Frankreich einliefen und Napoleons reißende Fortschritte meldeten. Anstatt zu hören, daß er umzingelt und gefangen sei, sah man Grenoble ihm die Tore öffnen, die Truppen zu ihm übergehen, die Bourbons schwach und ratlos an Flucht denken. Eilig schritten nun die Mächte zum völligen Abschlüsse der sächsischen Frage und überwaudten durch ernstliche Vor-
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer