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1. 40 Lektionen, umfassend den Zeitraum von Luther bis in die neueste Zeit - S. 70

1882 - Leipzig : Klinkhardt
— 70 — Darum hob Joseph innerhalb 8 Tagen nicht weniger als 700 Klöster ans. Nur die ließ er bestehen, die sich mit der Kindererziehung und der Krankenpflege beschäftigten. Mönche und Nonnen mußten ihre Zellen verlassen, und die Gebäude wurden zu Schulen, Waisenhäusern, Hospitälern u. s. w. umgewandelt. — Am 15. October 1781 gab er das berühmte Toleranzedikt. Das war der Besehl, durch welchen allen Bekennern des christlichen Glaubens, also auch den Protestanten, Religionsduldung gewährt wurde. — Bisher waren päpstliche Verordnungen (die sogenannten Bullen) in den österreichischen Kirchen und Gemeinden ohne weiteres von der Kanzel herab bekannt gemacht worden. Joseph verbot dies. Bei jeder einzelnen Verordnung behielt er sich die Genehmigung dazu vor. Auf die Gegenvorstellungen des Papstes achtete er nicht. Da kam dieser selbst nach Wien, um den Kaiser ans andere Gedanken zu bringen. Joseph empfing ihn freundlich und ehrerbietig, aber seinen Zweck erreichte Pius Vi. nicht; er mußte unverrichteter Sache nach Rom zurückkehren. Kein Wunder, daß er und die katholische Geistlichkeit auf den Kaiser übel zu sprechen waren. Aber auch in bürgerlichen Verhältnissen wurde vieles anders und besser. Bisher hatte in Österreich noch die Leibeigenschaft bestanden. Die großen Gutsbesitzer konnten ihre Unterthanen an andere abtreten, verkaufen, ihnen die Verheiratung verweigern, kurz, sie als Sklaven behandeln. Diese mittelalterliche Einrichtung hob Joseph auf. Alle sollten vor dem Gesetze gleich sein. Dadurch wurde den großen Gutsherren ein sehr wichtiges Recht genommen, und auch sie betrachteten darum den Kaiser mit feindlichen Angen. — Bisher waren vornehme Leute, die sich irgend eines Vergehens schuldig gemacht hatten, entweder gar nicht oder wenigstens im geheimen bestraft worden. Oft hatten sie nur eine geringe Geldstrafe zu bezahlen gehabt. Das wurde gleichfalls anders. Die Todesstrafe schaffte Joseph allerdings ab, führte dafür aber Zwangsarbeiten ein. Und so sah man bald unter den Missethätern auch Grafen, Barone, Hofräte, Offiziere u. a.tn. mit geschorenem Kopfe, mit Ketten belastet, in groben Kitteln die Gasse kehren. Diese Beschimpfung brachte den Adel auf, aber Joseph ließ sich nicht irre machen. Jeder Unterthan hatte offenes Gehör beim Kaiser. Zu bestimmten Stunden ließ er die Bittsteller bei sich eintreten, hörte ihre Wünsche an und gab die Entscheidung. Arme und Notleidende fanden an ihm, wenn sie es wert waren, einen stets bereiten Helfer. Aber Unwürdige mochten sich vor ihm in acht nehmen. Er tadelte und strafte ohne Ansehen der Person. Freilich verfuhr Joseph bei allen seinen Neuerungen zu hastig und mit Härte. Derartige Umänderungen und Verbesserungen lassen sich nicht auf einmal durchführen. Es bedarf dazu jahrelanger Mühe und unerschütterlicher Beharrlichkeit. Weil nun Joseph das nicht bedachte, so fand er überall einen Widerstand, den er durchaus nicht erwartet hatte. In Ungarn war bisher vor Gericht und beim Reichstage die lateinische Sprache gebraucht worden. Joseph befahl, daß innerhalb 3 Jahren nur noch die deutsche Sprache als Gerichtssprache Geltung haben solle. Darin lag eine
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