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1. Handbuch der deutschen Geschichte - S. 32

1898 - Breslau : Goerlich
32 — be§ Kaisers anzunehmen, hielt er nicht für angezeigt, sondern ließ sich zeitlebens „König" nennen - so pflegen nämlich die Barbaren ihre Heerführer zu bezeichnen , in Wirklichkeit war das Verhältnis seiner Unterthanen zu ihm ganz wie zu einem Kaiser. Seine gewaltige Hand sorgte für Gerechtigkeit allerwegen und war ein starker Schirm für Recht und Gesetz. Vor Einfällen benachbarter Barbaren bewahrte er sein Land; seine Weisheit und Tapferkeit waren gefürchtet und geehrt weit in die Runde. Weder ließ er sich irgend ein Unrecht gegen seine Unterthanen zu schulden kommen, noch ließ er einem andern Derartiges durchgehen; nur den Teil der Landgüter, die Odoaker seinen Parteigängern zugewiesen hatte, überließ er seinen Goten. So war Theodorich dem Namen nach ein Tyrann, in Wirklichkeit aber ein rechter Kaiser, nicht um Haaresbreite geringer als irgend einer von denen, welche sonst diese Würde bekleidet haben. Obgleich es dem menschlichen Charakter zu widersprechet! scheint, liebten und verehrten ihn thatsächlich Goten und Italiker ohne jeglichen Unterschied. Den mächtigen Frankenkönig Chlodwig bat er um seine Tochter Audeflede zur Ehe. Seine eigenen Töchter aber verheiratete er an benachbarte Könige, die eine an Alarich Ii., den König der Westgoten, die andere an Sigismund, den Burgunder könig. Und um sein Geschlecht noch mehr auszubreiten, schickte er seine Schwester Amalafrida, die Mutter des nachmaligen Königs Theodehad, nach Afrika als Gemahlin für den Vandalenkönig Thrasamund; ihre Tochter, seine Nichte Amalaberga, verband er mit dem Thüringerkönig Hermenefrid. — Im ganzen Abendland gab es kein Volk, das nicht Theodorich, so lange er lebte, in Freundschaft oder in Untertänigkeit gedient hätte. Als er aber im Greisenalter stand und sah, daß er bald von hier scheiden werde, rief er die Grafen und Vornehmen seines Volkes zusammen und setzte den Athalarich, ein kaum zehnjähriges Kind, den Sohn seiner Tochter Amale-suntha, der seinen Vater Entharich verloren hatte, zum König ein. Er kündigte ihnen als seinen letzten Willen an, sie sollten ihren König ehren, den Senat und das römische Volk lieben und den Kaiser des Ostreichs immer nächst Gott als gnädigen Freund bewahren. Bald darauf starb er nach einer Regierung von 37 Jahren, der Schrecken seiner Feinde, von seinen Unterthanen aufs tiefste betrauert. (Aus Jordanes, Geschichtsschreiber des 6. Jahrhunderts.) Theodorich lebt in der Volkssage als „Dietrich von Bern" fort. Bern ist der altdeutsche Name für Verona. Die germanischen Völkerschaften in Italien, Spanien, Nordafrika gingen entweder in großartigen Kämpfen zu Grunde oder verloren ihre Sprache und Sitte. Das ostgotische und das Vandalenreich zerfielen bald, weil diese Völkerschaften die üppige Lebensweise und die verfeinerten Sitten der unterworfenen Römer annahmen und dadurch ihre Kraft verloren. Eine treffliche Schilderung jenes großen Trauerspiels giebt Felix Dahn in seinem Roman: „Der Kampf um Rom"; viele andere Kämpfe leben in der Heldensage fort. Für die unterworfenen Länder war die Eroberung durch die Germanen oft von großem Vorteil; denn die einzelnen Landschaften konnten sich jetzt entwickeln und wurden nicht allein zum Vorteil von Rom und Italien ausgeplündert und unterdrückt. Auch wurden viele menschenleere Gegenden neu bevölkert, Ackerbau und Handel hoben sich, wenn auch Gewerbe und Künste verfielen. Die Deutschen erlangten nicht nur Besitz und Reichtum, sondern auch Bildung und lernten das Christentum kennen; aber die meisten gingen zu Grunde.
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