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1. Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte - S. 159

1894 - Gera : Hofmann
7. Rückblick auf die Völkerwanderung. 159 unablässige Verwüstung und gehäufter Tod, und er fragt sich wohl, wie in diesem Chaos doch noch viele wandernde Völker dauern, Sprache, Recht, Sitte, heimisches Wesen bewahren konnten. Das Wandern selbst wird rätselhaft, das Fortwälzen so großer Menschenmassen, die Möglichkeit, ihnen und ihren Zugtieren Nahrung zu schaffen, ist schwer begreiflich. — Wir sind auch darüber nicht ganz ohne Nachrichten. Zunächst ist die Unruhe in dem einzelnen Volke keine unablässige. Auf wilde Jahre und harte Kämpfe folgen ihm vielleicht mehrere Menschenalter einer verhältnismäßig friedlichen und glücklichen Existenz, in denen das Volk seine Äcker baute, die Thaten der gefallenen Väter sang und neue Überkraft erzeugte. Selbst die wanderlustigsten Völker, wie die Wandalen und die Heruler, bewirken die Ortsveränderung in der Regel nach Zeiten längerer Ruhe auf verteiltem Ackerboden. Weite und schnelle Ansiedlerfahrten werden immer nur von einer relativ kleinen Volksmasse durchgesetzt, und sie nehmen erst in dem fünften Jahrhundert überhand. Sehr verschieden ist auch die Bewegung der Völker. Bei einem starken Volke und großer Menschenmasse ist sie ein langsames Ausbreiten über die Grenzen nach günstiger Richtung. Ein Grenzland wird im Kampf erobert und schnell von junger Kraft besiedelt; über die neue Grenze hinaus erheben sich neue Ansprüche. Solcher Fortschritt eines ackerbauenden Volkes gleicht dem Fortschritt eines Gletschers, dessen unteres Ende durch unablässigen Druck der Gesamtmasse thalab geschoben wird und alles Entgegenstehende fortdrängt oder überzieht, bis sein Rand durch das Feuer des Kriegs abgeschmolzen wird. Langsam wandeln sich im Laufe der Zeiten auf solchem Wege die Grenzen der Drängenden, welche vielleicht von anderer Seite wieder gedrängt werden; aber die Masse des Volks bleibt zusammen, ihre Stämme, ihre Familien, ihre nationale Eigenheit dauert im ganzen unüerringert. — So ist in den ersten Jahrhunderten der Fortschritt der Sweben, Wandalen, Goten gegen die Donau. Daneben gehen seit der ältesten Zeit wirkliche Wanderzüge. Ist ein Volk von starken Nachbarn eingeschlossen und außer stände, seine Grenze vorzuschieben, so zwingt die Menschenfülle zum Aufbruch. Auch andere Gründe des Aufbruchs werden berichtet: Einfall Fremder, welcher nur die Wahl läßt zwischen Knechtschaft und Entfernung; oder ein Gau des Volkes hat sich den Stammgenossen so verfeindet, daß er neben ihnen nicht wohnen kann; oder das Interesse eines einflußreichen Häuptlings ist an Fremde gefeffelt, Ehrgeiz und Verheißungen locken. Aber so lange ein Volk fest in altheimischem Boden wurzelt und nicht durch unwiderstehlichen Zwang von außen aufgescheucht wird, ist es immer nur ein Teil des Volkes, welcher die Fahrt unternimmt, nur der Überschuß feiner Kraft. Dann wird im Rat der Häuptlinge und der Volksgemeinde eine Wanderung beschlossen, das Auswandrerheer sammelt sich, die kräftigen Männer fetzen Weib und Kind mit dem Hausgerät auf Wagen und ziehen mit Knechten, Jochvieh und ihren Hofhunden an die Grenze. Tag und Stunde ist geweiht durch Götterfpruch; sie schließen mit den Nachbarn Vertrag für Durchzug, oder brechen aus, wo der Zug gehindert wird. Ist einmal die Richtung des Weges zweifelhaft, dann weifen heilige Tiere, die Schwimmer der Luft: Adler, Rabe und Schwan, die Waldläufer: Bär, Wolf und Reh, ihnen den Pfad. Langsam
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