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1. Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte - S. 238

1894 - Gera : Hofmann
238 Erstes Buch. Iv. Abschnitt: Bilder aus dem Karlingischen Weltreiche. greifbar war nur die Anordnung, daß vier Synoden über des Reiches Notdurft des weiteren beraten sollten: dem Klerus schien Reform und Regierung überlassen. Von den Beschlüssen der vier Synoden sind uns nur diejenigen der Pariser bekannt. Sie betonen in klug gemäßigter Form die absolute Über» orduuug von Kirche und Klerus über jede staatliche Ordnung; neben einigen Spezialmitteln sehen sie in der weiteren Erhöhung der Kirche, vor allem in der höheren Würdigung der Bischöfe, A und O aller Reichsreform. Es war eine Richtung der Politik, die jeden inneren Zusammenhang mit den Thatsachen der fränkischen Verfassung, mit der sozialen Not des Volkes verloren hatte: mit Sicherheit erwartete der Klerus gelegentlich des nächsten Reichstages zu Worms, August 829, ihre Umprägung in die feste Form des Reichsrechts. Wer beschreibt da das Erstaunen des Episkopats, als nichts von alledem geschah! Das Wormser Kapitulare brachte einige elende Ansätze zu sozialer und wahrhafter kirchlicher Reform, von einer gesetzlichen Verkündigung der Triumphe der Kirche über den Staat war keine Rede. Wo hatte der fromme Kaiser Mut und Einsicht hergenommen, dem allmächtigen Einflüsse des Klerus zu trotzen? Im Jahre 818 war die Kaiserin Irmgard, die Ludwig mit drei Söhnen, Lothar, Ludwig und Pippin, beschenkt hatte, gestorben. Der Klerus, mit der sinnlichen Ader des Kaisers wohlbekannt, hatte für rasche Wiedervermählung Sorge getragen; wenige Monate nach Irmgards Tode heiratete Ludwig Judith, die Tochter des alamannischen Grafen Welf. Judith ist die erste Angehörige des Welsengeschlechts, die in den Geschicken unseres Volkes eine verhängnisvolle Rolle spielt. Wunderbar schön nach übereinstimmendem Zeugnis ihrer Freunde und Feinde, herrsch- und selbstsüchtig bis zur Unfähigkeit, fremdes Recht auch nur zu erkennen, neben dem unentschlossenen Kaiser ein Mannweib tritt sie in die Geschichte. Im Jahre 823 gebar sie dem Kaiser einen Knaben Karl: seit dieser anfing, zu seinen Jahren zu wachsen, bildete den einzigen Gedanken ihres Daseins das unersättliche Streben, den nachgeborenen mit einem Reiche beschenkt zu sehen, mit mehr Land und Leuten, als seinen erwachsenen Brüdern versprochen. Aber dem stand das feierlich beschworene Hausgesetz vom Jahre 817 und das Interesse des Klerus entgegen. Judith kümmerte das wenig. Zunächst war sie es wohl, die den Kaiser vermochte, mit dem Klerus zu brechen: so kam es zur Ablehnung der bischöflichen Forderungen des Jahres 829. Fast gleichzeitig verlieh der Kaiser durch eigenmächtiges Edikt dem kleinen Karl Alamannien, die Heimat der Kaiserin, nebst dem Elsaß, Rätien und der heutigen romanischen Schweiz: es war der Bruch des Haus-gesetzes vorn Jahre 817. Mit diesen Ereignissen eröffnet das furchtbare Jahrzehnt der Kämpfe um das Reich und seine Teile zwischen dem Kaiser, der Kaiserin und den Söhnen erster und zweiter Ehe. Wir begeben uns nicht in das Wirrnis dieser Zwiste, in denen die anfänglichen sachlichen Gesichtspunkte, die universalen Neigungen des Klerus, das Streben der Laiengroßen nach partikularer Gliederung, die gelegentlich zum Heile des Ganzen unternommenen
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