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1. Ottonen und Salier - S. 164

1910 - Gotha : Thienemann
— 164 — mitten ans dem Rhein ein hoher Turm, von dem nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974 ward große Teuerung in Deutschland, daß die Leute aus Not Katzen und Hunde aßen und doch viele Leute Hungers starben. Da war ein Bischof zu Mainz, der hieß Hatto der Andere, ein Geizhals, dachte nur daran, seinen Schatz zu mehren, und sah zu, wie die armen Leute auf der Gasse niederfielen und bet Haufen zu den Brotbäckern liefen und das Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein Erbarmen kam in den Bischof, sondern er sprach: Lasset alle Arme und Dürftige sammeln in einer Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen. Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Türe zu, steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune samt den armen Leuten, jung und alt, Mann und Weib. Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jammerten, rief Bischof Hatto: Hört, hört, wie die Mause pfeifen! Allein Gott der Herr plagte, ihn bald, daß die Mäuse Tag und Nacht über ihn liefen und an ihm fraßen, und vermochte sich mit aller seiner Gewalt nicht wider sie behalten und bewahren. Da wußte er endlich feinen andern Rat, als er ließ einen Turm bei Bingen mitten im Rhein bauen, der noch heutzutage zu sehen ist, und meinte sich darin zu fristen, aber die Mäuse schwammen durch den Strom heran, erklommen den Turm und fraßen den Bischof lebendig auf." Vgl. I § 16: Seelenglaube. Im Rhein- und Moselland war während des 11. und 12. Jaho Hunderts Hungersnot in den Jahren 1003, 1005, 1006, 1040, 1042, 1043, 1044, 1045, 1046, 1090, 1095, 1098, 1099, dann 1147, 1151, 1162, 1176, 1195, 1196, 1197, 1198; in Sachsen dagegen im 11. Jahrhundert nur 1006, 1025, 1056. Also scheint 1006 allgemein, in den andern Jahren nur im Westen oder Norden Mißwachs und Not gewesen zu sein. Während in einer Gegend Überfluß an Getreide war, herrschte in der andern entsetzliches Elend. Die Sage vom Bing er Mäuseturm erzählt mit Schaudern von dem Kornwucher des Mainzer Erzbischofs; und Lütticher Quellen melden, daß für den Malter Getreide im Jahre 1197 bis zum 11. Juni das Neunfache, vom 12. Juni ab das Sechzehnfache und vom 25. Juli ab das Dreißigfache des gewöhnlichen Durchschnittspreises bezahlt wurde. Man verzehrte unreine Tiere, Aas und Wurzeln. Viele starben Hungers; und die Straßen der Stadt lagen voll von Stöhnenden und Ächzenden, denen christliche Milde nur noch am frühen Morgen kleine Gaben zu spenden vermochte. Ja, es starben sogar ganze Dörfer aus. Und unterdessen lebte man in andern Wirtschaftsgebieten in Überfluß. E s fehlte eine Organisation, Überfluß und Mangel an Gütern zwischen den einzelnen
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