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1. Das Altertum - S. 208

1891 - Münster i.W. : Schöningh
208 Altertum Die Zahlen der im Amphitheater gezeigten gezähmten und abgerichteten Tiere war ebenso groß, als die Leistungen der Tierbändiger erstaunlich. Sie schienen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die ^iere zu dem abzurichten, was ihrer Natur am meisten zuwider war. Wilde Tiere ließen Knaben aus sich tanzen, standen auf den Hintersüßen, zeigten zugleich mit Pferden ihre Kunststücke im Wasser und blieben auf schnellfahrenden Zweigespannen „als Wagenlenker" unbeweglich. Hirsche lernten dem Zügel gehorchen, Parder tm Joche gehen. Kraniche beschrieben im Laufen Kreise und bekämpften sich gegenseitig. Friedliche Antilopen rannten mit den Hörnern aneinander, bis eine oder beide tot aus dem Platze blieben. Löwen wurden bis zum äußersten Grad hündischen Gehorsams gebracht, man sah sie in der Arena Hasen fangen, unversehrt in den Zähnen halten, loslassen und wieder fangen. Elefanten ließen sich aus den Wink ihrer schwarzen Lehrmeister auf die Kniee nieder, führten Tänze auf, zu denen einer von ihnen die Zimbel schlug, lagen zu Tische, trugen je vier einen fünften in einer Sänfte, gingen auf dem Seile und schrieben lateinisch. Mit den Produktionen gezähmter Tiere, wechselten die Kämpfe der aufeinander gehetzten wilden, wie des Rhinoceros mit dem Elefanten, dem Bären, dem Stier, des Elefanten mit dem Stier n. f. w. Die natürliche Wildheit der Tiere ward durch scharfe Reizmittel gesteigert. Man trieb sie mit Peitschengeknall an, verwundete sie mit Stacheln und Bränden, warf ihnen mit Lappen behängte Strohpuppen vor, die sie wütend in die Lust schleuderten, fesselte sie je zwei an langen Seilen zusammen, und das Volk jauchzte vor Entzücken, wenn sie, rasend gemacht, einander zerfleischten. Auch traten gewiegte und gut bewaffnete Jäger aus, die mit Hunden von guter Raffe einzeln oder in Menge den wilden Bestien standzuhalten vermochten. Endlich gehörten zu den Schauspielen des Amphitheaters auch die Voll. ftreefimgen jener entsetzlichen Todesurteile, durch welche Menschen, teils an Pfähle gebuudeu und völlig wehrlos, teils zur Verlängerung ihrer ^nal mit Wassert versehen, den wilden Bestien überliefert wurden, die zuweilen überdies zum Menschenfreffen abgerichtet waren. Welch ein Anblick, wenn diese Elenden mit zerrissenen Gliedern, von Blut bedeckt, nicht um Gnade, sondern um Aufschub ihres Martertodes bis zum nächsten Tage flehten! Wenn ihre ungeheuren Wunden so weit auseinander klafften, daß sie wißbegierigen Ärzten die willkommene Gelegenheit boten, die inneren Teile des Körpers sehen zu können! Und wenn nun vollends dieser gräßlicheu Wirklichkeit der Schein einer Theaterfcene gegeben wurde! Vielleicht meinte man, dies unmenschliche Schauspiel so minder abschreckend zu machen: für unser Gefühl ist es doppelt empörend, daß Maschinist und Dekorateur aufgeboten wurden, um die Todeskümpfe von Verurteilten zu verlängern und mit dem Prunk der Bühne zu umgeben.
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