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1. Das Mittelalter - S. 64

1891 - Münster i. W. : Schöningh
64 Mittelalter. den zerstörten Bau herzustellen. Wie aber sollte dies gelingen, so lange sich die deutschen Stämme selbst, ohne inneren wie äußeren Zusammenhalt, in einer fast ununterbrochenen Reihe von Kriegen schwächten und aufrieben! so lange die Fürsten über Völker geboten, die dem Zwang der Gesetze und jeder durchgreifenden Herrfchergewalt mit trotzigem Freiheitssinn widerstrebten? So hatte der Westgote Athaulf, so der Oftgote Theode-rich, so endlich hatten die ersten Merowinger ihre sühnen Pläne, das abendländische Reich herzustellen, sogleich beim ersten Angriff aufgeben müssen; genug, daß es gelang, einzelne Teile des großen Ganzen ihrem Königsgebot zu unterwerfen und zu besonderen Reichen zu gestalten. Aber der erste germanische Fürst, dem es glückte, die Selbständigkeit der Gemeinden für immer zu brechen und der Königsherrfchaft zum letzten entfcheibenben Siege über die Volksherrfchaft zu verhelfen, der zugleich dahin gebieh, alle beutfchen Stämme, die in ihren alten Sitzen geblieben waren, in feinem Reiche zu vereinen und sie wieber mit den ausgewanderten bereits romanifierten Germanen zu üerbinben, nahm auch sofort das römische Kaisertum auf und stellte sich als Nachfolger der alten Imperatoren hin. So erst schien der lange Kampf zwischen Rom und den Germanen friedlich geschlichtet zu werben, bei dem es sich ja von Anfang an weniger um die Vernichtung des alten Weltreiches gehanbelt hatte, als um die Aufnahme der deutschen Stämme in den großen Staatsverband der gebildeten Völker, nicht um die Zerstörung der bisherigen Kultur, sondern um die weitere Verbreitung aller Geiftesgüter, die Roms Herrschaft in sich faßte und hegte. Nicht freilich als Sklaven, nicht von Roms Legionen bezwungen, waren die Germanen dem Reiche einverleibt worden; mit den Waffen in der Hand hatten sie sich Bürgerrecht und Herrenrecht in demselben erkämpft, und als sie hier alles mit den Elementen ihres Wesens erfüllt und nmgewanbelt hatten, gab die freie Entwickelung der Dinge einem beutfchen Fürsten das kaiserliche Scepter des Abenblanbes in die starke Rechte. So trat Karl die Regierung jenes großen germanisch-romanischen Reiches an, in das sich die alte Römerherrfchaft umgestaltet hatte. Doch das Kaisertum war noch etwas anberes als jenes höchste politische Ideal, dem die beutfchen Machthaber seit Jahrhunderten zugestrebt hatten; auch der religiöse Glaube der christlichen Kirche hatte die Jbee desselben erfaßt, in sich aufgenommen, auf eigentümliche Weise aus- und umgebilbet. Die Überzeugung der alten Römer, daß ihre Republik bestimmt sei, alle Völker bis an das Ende der Welt einem Gesetze zu unterwerfen, war in der christlichen Zeit nicht erstorben, fonbern hatte vielmehr neues Leben gewonnen durch den Glauben, daß alle Bekenner des Heilanbes zu einer Herbe gesammelt, zu einer großen Gemeinschaft verbunbeit werben sollten; das christliche Rom nährte mit dem Glauben an die eine christliche Kirche auch den Glauben an die Einheit des christ-
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