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1. Neuere Zeit - S. 272

1891 - Münster i. W. : Schöningh
272 Neuere Zeit. Werde; sie blieb aber stumm, obgleich ihr der Abgeordnete Dupin noch in den Tnilerien von der Rolle Maria Theresias gesprochen, welche sie jetzt spielen müsse. Schweigend nahm sie mit ihren beiden Söhnen auf den Sesseln Platz, die am Fuße der Rednerbühne aufgestellt waren. Nach einer peinlichen Pause übernahm der wachsende Tumult von außen, der einzelne vom Volke schon auf die Galerieen und in den Sitzungssaal selbst warf, die Aufgabe, dem hier versammelten „legalen Frankreich" die Arbeit zu erleichtern. Dupin, sehr gegen seinen Willen auf die Tribüne gedrängt, verlangte Anerkennung des neuen Königs und der Regentschaft der Herzogin; Lamartine meinte, man dürfte aus Schonung für die letztere die Frage nicht in ihrer Gegenwart verhandeln. Sie wollte sich entfernen, aber wohin sollte die bedauernswerte Frau gehen? Sie blieb auf halbem Wege stehen und setzte sich dann auf eine leere Bank im Centrum; nun nahm ein Abgeordneter der republikanischen Partei, Manin, das Wort und beantragte, indem er die Regentschaft der Herzogin durch Berufung auf das Regentschaftsgesetz zurückwies, wenig logisch, aber angesichts einer Lage, wo nichts von einer Regierung zu sehen war, doch vernünftig, die Niedersetzung einer provisorischen Regierung. Noch bestieg Odilon Barrot, der mittlerweile erschienen war, die Rednerbühne, aber seine Worte entbehrten der Bestimmtheit, bewegten sich in Allgemeinheiten: „das Julikönigtum beruht jetzt aus dem Haupte einer Frau und eines Kindes"; ihm folgte der Legitimist Larochejacquelin, welcher den Augenblick günstig glaubte, seinerseits dem Parteigeist und seinem langverhaltenen Rachegelüst zu opfern. „Die Kammer", ruft er der Versammlung mit mächtiger Stimme zu, „bedeutet nichts, gar nichts mehr"; seine Worte werden alsbald bestätigt durch wilden Tumult, der aus den Gangen hereindringt. Es sind Haufen von Nationalgardisten, Studenten, Arbeiter, welche kommen, um das Werk, das sie in den Tnilerien begonnen, nunmehr in der Kammer zu vollenden. Die Tnilerien waren unterdessen der Schauplatz von Orgien gewesen, wie sie eine erhitzte, von vagen Leidenschaften umhergetriebene, von ihrem Erfolge und bald vom Wein der Schloßkeller berauschte Menge, die keine Autorität mehr im Zaume hält, sich gönnte. Man braucht bei den wüsten Scenen der Zerstörung nicht zu verweilen. Der Thron war hier nichts mehr als ein mit Samt und Seidenstoff beschlagenes Stück Holz, der Überzug gut genug, um daraus Kokarden und Jakobinermützen zu machen, das Gestell recht, um wie die Spiegel und Kronleuchter von der blinden Zerstörungswut zertrümmert und zum Fenster hinausgeworfen zu werden. Vielfach brüstete man sich später, damit doch etwas zu rühmen sei an dieser jämmerlichsten aller Revolutionen, die nur hatte gelingen, oder richtiger überhaupt nur zu einer Revolution hatte werden können durch ein seltenes Zusammentreffen aller möglichen Fehler, Pslichtversänmnisse und Verkehrtheiten — daß
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