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1. Bd. 1 - S. XII

1883 - Leipzig : Engelmann
m Vorrere. Führer und Freund verehrten; aber es hat einen unauslöschlichen Eindruck aus mich gemacht, als der verdiente Mann bei seinem Abgang nach Marburg in der Stunde des Scheidens mich mit den Worten entließ: „Sie gehören zu den schönsten Erinnerungen an Heidelberg". Und das Interesse, das er damals dem Studenten erwies, hat er dem Manne bewahrt bis zur Stunde, wo ihn in Göttingen ein allzufrüher Tod der Wissenschaft und den Freunden entriß. Ein brieflicher Verkehr und in der Folge wiederholte Besuche in der alten Musenstadt am Neckar hielten das geknüpfte Band fest. An dem Werke über die griechischen Staatsalterthümer, das in Heidelberg ausgearbeitet wurde, habe ich den regsten und innigsten Antheil genommen. Nur durch wohlwollende Unterstützung einiger älteren Freunde und durch fortgesetzten Privatunterricht konnte ich den Aufenthalt auf der Universität be- streiten; es war mir daher höchst erwünscht, als ich durch Vermittelung Hermann's eine Hauslehrerstelle bei einer in Heidelberg wohnhaften englischen Familie aus Schottland erlangte, durch die ich in den Stand gesetzt war, nicht nur meinen eigenen Bedürfnissen zu genügen, sondern auch meiner Mutter ihr Alter zu erleichtern, und die mich doch nicht so sehr in Anspruch nahm, daß ich am Studium gehindert gewesen wäre. Freilich mußte ich dabei alle Kräfte anstrengen, um der zweifachen Aufgabe zu genügen. Hier wurde ich zuerst mit Gervinus bekannt, der vorher diese Stelle bekleidet hatte, sich dann aber bei der Universität habilitirte und seine erste Reise nach Italien antrat. In dem englischen Hause lernte ich zum ersten Male kennen, wie es in einer wohlhäbigen gut geordneten Familie zugeht. Der Charakter der „Respec-tabilität", der in England von so großem Gewicht ist, wohnte der Familie im vollen Sinne des Wortes bei. Der Vater der drei Zöglinge, die ich zu unterrichten hatte — ein älterer Bruder war mit Gervinus nach Italien gegangen — war ein ehemaliger Seecapitän, der sich in Indien Vermögen erworben hatte; die Mutter stammte aus einem alten hochländischen Geschlechte, das in der schottischen Geschichte in verschiedenen Perioden eine hervorragende Rolle gespielt hat. Das Maß der Bildung und der Kenntnisse war nicht umfassend. Der Hausherr bewegte sich in den engen Kreisen herkömmlicher Schulbildung und verstand keine andere Sprache als die englische; doch hatte er das Gefühl, daß ihm Vieles mangelte und hegte Achtung vor Wissenschaft und Gelehrsamkeit. Auch die Mutter besaß nur ein bescheidenes Maß von Wissen, ein paar französische Worte und Redensarten gingen nicht über die dürftigste Converfationssprache hinaus; Deutsch haben sie während eines fünfjährigen Aufenthaltes in Heidelberg beide nicht gelernt. Aber sie war eine Frau von großer Schönheit und Anmuth, in ihrem Wesen und ihrer Haltung ganz ladylike, ihr Lächeln war zauberisch, wenn sie einen günstigen Eindruck erwecken wollte, ihre Manieren und ihr Benehmen durchaus graziös. Sie war in ihrem achtzigsten Jahr, als ich sie in Heidelberg bei einem flüchtigen Besuche zum letzten Male sah, noch immer eine stattliche Dame. Auch von den Söhnen hatte keiner hervorragende Gaben. Wie der Vater in seiner Jugend, so gingen später alle vier nach Indien; denn in Schottland gilt bekanntlich als erste Lebensregel, you must make money. Dort fanden drei von ihnen einen frühen Tod. Die Tochter blieb
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