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1. Bd. 1 - S. 151

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 85. Die griechische Welt. 151 Zurückführung auf die Solon'schen Einrichtungen den Stempel der Gesetzlichkeit aufdrückte. „Dieses Bewußtsein des athenischen Volkes, daß seine Herrschaft die der Gesetze sei und wesentlich auf der Unverletzlichkeit derselben beruhe, stellte wenigstens den Buchstaben lange vor seiner Willkür sicher; dazu kam seine ängstliche Religiosität, die nichts anzutasten wagte, was Alter und Sage heiligten; und selbst als spater bisweilen die Zügellosigkeit der Gesammtheit jene Schranken verachtete, so ward doch nie der Name der Freiheit mißbraucht, um das Ansehen der Gesetze und ihrer Vertreter der Willkür des Einzelnen preiszugeben." 10. Hellenische Cultur und Literatur. §. 85. Die lyrische Dichtung. Nicht blos im Staatsleben und in den bürgerlichen Verhältnissen, auch in der Dichtkunst schufen die neuen Zustände, das bewegtere Leben, die glänzenderen Religionsfeste neue Formen mit veränderten Zielen und Anschauungen. Das ernste Heldengedicht der heroischen Fürstenzeit mit dem gleichmäßig fortlaufenden breiten Fluß des Hexameters entsprach nicht mehr der aufgeregten Stimmung, die in Folge der Parteikämpfe und bürgerlichen Unruhen in den Gemüthern ihren Wohnsitz nahm, nicht mehr dem beweglichen, raschen Leben, das durch die Handels- und Coloniethätigkeit in Schwung kam. Höchstens an großen Cnltusfesten hatte das Volk Muße genug, den Erzählungen der Wandersänger zuzuhören, daher auch die Vorträge der Rhapsoden auf solche Gelegenheiten verwiesen wurden; für die Anliegen des Tages, für die Kämpfe und Genüsse der Gegenwart bedurfte man Dichter, die in der Mitte des handelnden Lebens standen und praktische Ziele verfolgten, die sich an den Freuden und Sorgen, an den Empfindungen und Bestrebungen, an den Thaten und Interessen der jüngeren Geschlechter, der lebenden Menschheit betheiligten. So entstand die neue lyrische Poesie, die nicht wie die ältere auf religiöse Hymnen, auf die Anrufungen der Götter sich beschränkte, die vielmehr alle Erscheinungen des Tages in ihr Bereich zog, allen Lebenszielen diente, allen Stimmungen und Empfindungen Töne und Worte gab, alle schlummernden Gefühle weckte und anregte, dem ganzen inneren Leben in seiner reichen Mannichsaltigkeit Form und Ausdruck verlieh. Bald war die Lyra Waffe und Kriegsdrommete, die, wie bei Kallsnos undtyrtäos, zu Kampf und Heldenthaten anfeuerte; bald war, wie bei Solon und Theognis, der Dichterfpruch der Träger der Lebensanfchauuugeu, der politischen Meinungen und Parteizwecke. In der Hand des A r ch i l ö ch o s und H i p p ö n a x wurden die lyrischen Jamben zu spitzigen Pfeilen gegen die persönlichen Feinde, während bei Mimnermos und Alkäos der Gesang bald Kriegsmuth und Kampflust, bald, wie auch bei der Dichterin Sappho, feurige Liebe und heiteren Lebensgenuß ausströmte. Anäkreon galt dem gesammten Alterthum als der Sänger der Liebe, des Weines und jeder sinnlichen Lust. Nachdem durch Terpander die Tonkunst ausgebildet worden und zur ernsten, feierlichen Kichara sich die aufregende Flöte gesellt hatte, wurde durch Alkman und Stesichoros der Chorgesang beiden Götterfesten eingeführt, den dann Pindar bei seinen herrlichen Siegesliedern zur Vollkommenheit brachte, indeß fein Zeitgenosse Simonldes durch kunstreiche Überschriften und Epigramme sich den größten Ruhm erwarb. Unter diesen Bestrebungen wurde die dichterische Form und Verskunst, die sich in den elegischen Distichen noch nahe an den heroischen Hexameter gehalten, mannichfaltiger und fchwungreicher ausgebildet, bis sie in den strophischen Chorgefängen mit rhythmischen Bewegungen ihre höchste Vollendung erreichte. Diese Vervollkommnung der lyrischen Poesie führte auch nothwendig zur kunstreichen Ausbildung der Musik und Örchestik, da durch die Sitte der Griechen, die Feste der Götter durch Chorgesäuge und rhythmische Tänze von Jünglingen und Jungfrauen zu verherrlichen, beide Künste aufs Innigste verbunden waren; und wie die lyrischen Formen und Versmaße sich immer mannichfaltiger und kunstvoller gestalteten, so erlangte auch die Örchestik stufenweife eine höhere Ausbildung, vom ernsten, taktmäßigen Umfchreiten des stammenden Opferaltars bis zum mimischen und Waffen-Tanz (Pyrrhiche), worin die Thaten der Helden und Götter dargestellt wurden. Die hohe Bedeutung aber, die das Alterthum der Musik sowohl mit ihrer erhebenden und begeisternden, als mit ihrer sittigenden und bildenden Kraft beilegte (weshalb sie auch von den griechischen Gesetzgebern als Mittel der Veredlung empfohlen ward), berechtigt zu dem Schluß, daß die Hellenen
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