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1. Bd. 1 - S. 503

1883 - Leipzig : Engelmann
§ 276. Die Völkerwanderung. 503 seinem Landgute in Spanien in der Verbannung lebte, zum Augustus des Morgenlandes. Dieser beendigte durch bedächtige Kriegführung, lähmende Unterhandlungen und Zwietracht nährende Verträge den Gothenkrieg, indem er einen Theil der Feinde unter Gewährung von Steuerfreiheit und Anerkennung ihrer Gesetze und nationalen Eigenthümlichkeiten in Thrakien, Mösien und Dacien ansiedelte, einen andern Theil als Söldner in die römischen Heere aufnahm. Die geschwächten Ostgothen hielten sich an der Donau, wurden aber größtentheils, gleich den von der Niederelbe südostwärts gezogenen Langobarden, den G'epid en und andern germanischen Volksstämmen den Hunnen, die sich in den Sarmatenebenen an der Donau ein weites Reich gründeten, zins- und heerpflichtig. Die Hunnen. Die Beschreibung, die der Geschichtschreiber Ammianus M arcellinus (§. 256. 4.) von den Sitten, der Lebensweise und der ganzen äußern Erscheinung der Hunnen entwirft, gibt Zeugniß von dem entsetzlichen Eindruck, den die Ankunft dieser östlichen Barbaren, in welchen die Phantasie der Gothen Abkömmlinge von Dämonen und Zauberinnen erblickte, auf die Römerwelt hervorbrachte: „Das Volk der Hunnen, aus alten Berichten nur wenig bekannt, wohnt über den mäotischen See hinaus gegen das Eismeer hin, ihre Wildheit kennt keine Grenzen. Durch die Sitte, den Knaben gleich nach der Geburt die Wangen zu durchschneiden, wird der Bartwuchs gehemmt und das Angesicht entstellt. Von gedrungenem, starkem Gliederbau und langgestreckter Gestalt sehen sie mehr wie Bestien oder plump zugehauene Holzklötze aus. Mit der größten Häßlichkeit verbinden sie ungemeine Ausdauer und Abhärtung, so daß sie des Feuers und feinerer Nahrung ganz entbehren. Sie leben allein von Wurzeln und Kräutern und dem halbrohen Fleische aller möglichen Thiere, das sie auf dem Rücken ihrer Pferde etwas mürbe reiten. Nie kommen sie unter das Dach eines Hauses, das sie wie ein Grab meiden; nicht einmal Rohrhütten haben sie. Unflat schweifen sie durch Gebirg und Wald und gewöhnen sich an Hunger und Durst und an den Wechsel der Witterung. Ihre Kleider sind von Linnen oder aus Fellen von kleinem Gewild; dasselbe Gewand tragen sie im Hause und Außen, legen es nicht eher ab, als bis es ihnen in Fetzen vom Leibe fällt. Mit gebogenen Mützen decken sie den Kopf, mit Ziegenfellen die rauhhaarigen Beine, die unförmlichen Schuhe hindern sie am freien Gang. Deshalb sind sie zum Fußkampf untüchtig; an ihren häßlichen, aber ausdauernden Pferden hängen sie wie angewachsen und verrichten auf denselben ihre gewöhnlichen Geschäfte. Tag und Nacht sitzen sie zu Pferd, kaufen und verkaufen, essen und tunten, ja sie schlafen und träumen sogar, an des Thieres Nacken gelehnt. Nicht einmal bei Versammlungen und Berathungen steigen sie ab. Keine strenge Königsgewalt bindet sie; in stürmischer Eile wählen sie ihre Führer aus der Zahl der Häuptlinge. Werden sie zum Kampfe gereizt, so stürzen sie sich in keilförmigen Mafien mit gräßlichem Kriegsgeschrei aus den Feind. Gewandt und behende sprengen sie oft absichtlich auseinander und zerstreuen sich ordnungslos zum wüsten Morden. In ihrem raschen Vordringen stürmen sie auch keine Schanzen und Lager. Aus der Ferne schleudern sie Wurfspeere und Pfeile, deren Spitzen künstlich aus scharfen Knochen gefertigt sind, im Handgemenge brauchen sie das Schwert. Dabei suchen sie dem Feind, während er auf ihre Klingen achtet, plötzlich Schlingen überzuwerfen, um ihn zu verstricken und wehrlos zu machen. Ohne Aecker und Felder, ohne Hos und Herd, ohne Gesetz und Recht schweifen sie wie Flüchtlinge mit ihren Wagen umher; diese sind ihre Wohnungen, der Aufenthalt ihrer Weiber, wo sie ihren geringen häuslichen Pflichten obliegen, die rohen Kleider weben und ihre Kinder um sich haben, bis sie erwachsen sind. Hier geboren, fern davon erzogen, kennt Keiner seine Heimath, weiß Keiner, woher er stammt. Treulos, wankelmüthig, jeder neuen Hoffnung hingegeben, folgen sie ganz dem Drang des Triebes. So leben sie wie das unvernünftige Vieh dahin, ohne Kenntniß von Tugend und Laster, ohne Achtung vor Glauben und Religion. Nach Gold sind sie ausnehmend lüstern, und jo wankelmüthig und reizbar ist ihr Charakter, daß sie wohl mehrmals an demselben Tage sich entzweien und wieder versöhnen." §. 276. Während Theodosius den Gothenkrieg zu Ende führte, zog sich @ratias im Westen Gratiau, der Zögling des Dichters Ausouius (§. 259), durch seine
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