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1. Bd. 1 - S. 779

1883 - Leipzig : Engelmann
431. Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 779 Unterhalt, die ihnen gereicht wurden, das Lob und die „Milde" der Geber verkündeten, auch wohl ihre Gönner ins heilige Land begleiteten. Unter der Pflege dieser fürstlichen und adeligen Sänger wurde die Poesie eine adelige Kunst, die aus den Händen der Geistlichen und der fahrenden Spielleute in die der vornehmen Gesellschaft überging, die aus der füllen Klosterzelle und von Markt und Straße ihren Weg zu den Burgen und Höfen suchte, die Sitten' und Lebensformen der vornehmen Stände durchdrang, beherrschte und verfeinerte. So lange das hohenstausische Haus in Macht und Herrlichkeit thronte, war Süddeutschlaud, vor allen Schwaben, der Hauptsttz der Minnesängerhmst, daher auch die schwäbische oder „mittelhochdeutsche" Mundart die gewöhnliche Dichtersprache war. In der schwäbischen Mundart,, welche die obersächsische an Reichthum wie an Wohlklang übertraf, dichtete der Westfale wie der Meißner, sang man am babenbergischen wie am thüringischen Hofe. Als aber in den vornehmen Gesellschaftskreisen die höfische Bildung und die konventionellen Formen des Ritterthums abnahmen und das Interesse für die Minnebichtung zu schwinden begann, kam die Dichtkunst wieder in die Hände bürgerlicher Sänger, die zwar noch in der alten Weise fortdichteten, aber die Kunst nicht mehr zu beleben vermochten. Sie wandten daher die erlernte Kunstübung und die ausgebildeten Dichtungsformen auf bürgerliche und bäuerliche Lebensverhältnisse an, bis schließlich die Ritterdichtung wieder in die Hände von Spielleuten und Fahrenden kam, die den letzten Rest von Adel und Würde verzettelten. Diese von dem adeligen Laienstande gepflegte Dichtung, die man die „höfische" oder „romantische" genannt hat, wurde aus der Fremde eingeführt; aber wenn sich auch ihr Ursprung nie ganz verkennen ließ, so nahm sie doch aus deutschem Boden bald ein eigenthümliches, dem germanischen Charakter entsprechendes Gepräge, eine mehr dem Innern, dem Natur- und Gemüthsleben zugekehrte Richtung. Während die proven^alische Dichtung stets eine „freie Kunst" blieb, vorzugsweise der heiteren Seite des Daseins, dem Lebensgenuß, dem Frauendienst zugewendet war, erscheint in der deutschen Poesie die Freude mit Leid gemischt, tritt neben die heitere Stimmung zugleich ein Ton der Klage und Wehmuth. Wie in den heidnischen Religionsdiensten lehnt sich der deutsche Minnegesang zunächst an das Naturleben an. Man sang vom Sommer und seiner Wonne, vom Winter und seinen Schmerzen, von süßer Maienblüthe und bitterem Reise, der sie tobtet, und knüpfte baran das innere Gefühlsleben „der Liebe Lust und Leid", bald in Uebereinstimmung, bald im Widerspruch zu der äußern Welt. 2n diesem innigen Mitleben mit der Natur, wodurch dem Minnegesang die Anmuth der Jugendlichkeit verliehen ward, liegt der Reiz und das Wesen desselben. „Es war die stumme, zurückhaltende, blöde Liebe der ersten Jngenbzeit, die mit den rothen Blumen auf dem Anger und der Haibe erwacht, mit dem jungen Laube des Maienwaldes grünt und mit den Vögeln der Frühlingszeit jubelt und singt; die mit der falb werdenden Linde, mit den wegziehenden Waldfängern, mit dem fallenden Laube trauert, und mit dem trüben Reif und Schnee des Winters in schmerzliche Klagen ausbricht." Maifest und Winterklage, Liebesgunst und Verschmähen, „dieser einförmige Jahres-verlauf eines einförmigen Sinnens und Trachtens" ist das Allgemeine und Gewöhnliche in diesen Liedern. Im Gegensatz zu der Selbstgefälligkeit der provenxalischen Troubadours sieht man somit im Minnegesang neben den frohen ©mpsinbungen auch „Verachtung bet Welt, Schärfe und Bitterkeit gegen die Sitten bet Zeit, Wehmuth und einen Zug des Schmerzes über die Nichtigkeit der menschlichen Dinge Hand in Hand gehen"; und während jene mit dem erotischen Gesänge zur Laute auch den Preis des Kriegslebens und ritterlicher Thaten verbanden, auch Kampfspiele, fröhliche Gelage und anbete Freuben eines kräftigen Männergeschlechts feierten, wandte sich der beutfche Gesang fast ausschließlich der inneren Gefühlswelt zu, wodurch er allmählich in Weichlichkeit und Eintönigkeit ausartete und der ganzen Minnepoesie der Charakter der Weiblichkeit, einer „frauenhaften Kunst" aufgeprägt ward. Zu dieser Verflüchtigung der erotischen Lyrik trug die wachsende Marienverehrung nicht wenig bei. Statt der Liebeshöfe der Provenxalen sehen wir die Deutschen Minnesänger den Altar der jungfräulichen Gottesmutter mit reichen Opfern bekränzen, ihre heilige und fromme Sängerliebe der Göttin weihen, „die alle Enge und Weite umspannt, die auf Erden und im Himmel thront, die überall, nur in der Hölle nicht, gegenwärtig ist." Doch unterscheiden sich nach Form und Haltung die älteren Minnelieber eines Kürenberger, eines Ditmar von Aist, eines Reinmar von Hagenau und Heinrich von Morungen, die im Allgemeinen noch einen einfacheren, kräftigeren Charakter tragen, die Liebe noch natürlicher und unschulbiger behandeln, bagegen an Glätte und Reinheit in Sprache unß
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