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1. Bd. 1 - S. 788

1883 - Leipzig : Engelmann
788 Das Mittelalter. §. 435. rische Forschungen angeregt, den Nachweis versuchte, daß bad beutsche Nationalepos aus einer Vereinigung von zwanzig Volksliedern verschiedener Verfasser hervorgegangen, welche bnrch Sammler und Orbner verbunben, mit überleitenben Strophen ober Abschnitten und mit manchen unechten Stellen vermehrt worben seien, und aus diesem Gesichtspunkt die den kürzesten Text bietende Hohenemser Handschrift (A), dermalen in München, für die älteste und ursprünglichste, die ausführlicheren dagegen (die St. ©aller ß und die Laßberg'schel) für Überarbeitungen mit erweiternden Einschaltungen von neuen Strophen erklärte, schieden sich die Germanisten in zwei Heerlager. Während die Einen nach Lachmanns Vorbild, wenn auch mit einigen Abweichungen und Mobisicationen und mit immer mehr hervortretenben Bebenklichkeiten mehrerer Forscher gegen das kühne, mitunter gewaltsame kritische Verfahren des genialen Philologen, das ganze Epos als eine Zusammenstellung einzelner Volkslieber betrachten, bereu Sammler und Orbner ohne bichte-rische Bedeutung gewesen und auf Inhalt und Charakter der Dichtung keinen Einfluß geübt hätten, lassen Attbere, an ihrer Spitze A. Holtzmann, das Werk sogleich als ein Ganzes entstehen, doch auf Grund älterer mündlicher Sagen und Volkslieder, das dann im Lause der Zeit wieder Ueber-arbeitungen und Erweiterungen erfahren und namentlich in Sprache und Versbau sich nach den veränderten Gesetzen gerichtet habe, wobei aber dem Verfasser eigenes poetisches Schaffen zugestanden werden müsse. Nach dieser Auffassung hat die ausführlichere Handschrift (C) den größten Anspruch, als die ursprüngliche und echte zu gelten, wogegen die Münchener (A) nur als eine Verkürzung zu betrachten fei. Noch einen Schritt weiter geht Franz Pfeiffer, der hauptsächlich auf Grund der kunstreichen strophischen Gliederung, da zu jener Zeit kein Dichter die Strophenform eines aixbern entlehnt, sondern nur in eigenen „Tönen" gedichtet habe, dem österreichischen Dichter Kürenberger die letzte Abfassung (<-- 1190) nach Volksüberlieferungen und Liedern und mit Benutzung einer älteren lateinischen Bearbeitung des deutschen Volksepos beilegen will, dabei aber meint, „die epische Anordnung und Ausführung, die Schilderung und Grnppiruug des Einzelnen, der rasche, unaufhaltsame Fortschritt im Ganzen, die Motivirung und Psychologische Begründung, die meisterhafte Zerchnung und Durchführung der Charaktere, kurz alles das, was das Nibelungenlieb zu dem poetischen Kunstwerk erhebt, als welches wir es bewundern", müsse dem beutscheu Dichter, der sich in der Person des Volkes selbst gezeichnet habe, als volles freies Eigenthum zugeschrieben werben. Die Resultate seiner Untersuchung saßt er in solgenben Worten zusammen: „Die Nibelungenstrophe ist nicht das Probuct des schaffenden Volksgeistes, ist kein Nationaleigen-ttium, fonbern das Kunstwerk einer bestimmten Person. Der Erfinder der Strophe ist auch der Dichter des Liedes. Dieser ist der Kürenberger, dessen Heimath Oberösterreich, dessen Hanptqnelle ein lateinisches Buch war. Der Kürenberger ist wie der älteste lyrische, so auch der erste höfische Dichter adeligen Standes, er ist der Schöpfer des volksmäßigen strophischen Epos und zugleich der größte epische Dichter unseres Volkes. Sein Werk ist die erste herrliche Frucht der Betheiligung des Ritterstandes an der Poesie. Von ihm hat die nationale Epik für alle Zukunft Form und Gehalt, Richtung und Ziel empfangen." Dieser Ansicht trat auch im Allgemeinen K. Bartsch bei, nur daß er im Laufe des zwölften Jahrhnnberts eine wiederholte Umarbeitung annimmt, in welcher, den gesteigerten Ansprüchen der Zeit an größere poetische Gebundenheit und Formvollendung entsprechend, die alte freiere Assonanzform allmählich verschwunden und ein regelmäßiger Reim und die Strophenform an die Stelle getreten fei. «udrmi. tz. 435. Kudruu. Auch die „Nebensonne" der Nibelungen, die Kndrnn, ist aus Volksüberlieferungen und Volksliedern, die iftter den seefahrenden Küsten- und Inselbewohnern der Nordsee, von Dänemark und Friesland bis nach Island und der Normandie von Geschlecht zu Geschlecht fortlebten, und aus ältern Bearbeitungen der Nordlandssagen hervorgegangen, hat aber einen geschickteren „Zusammenfüger" gesunden. Nicht ganz mit Unrecht hat man die Kudrun die deutsche Odyssee, die Nibelungen die deutsche Ilias genannt. Nicht nur, daß der Schauplatz der Handlungen, dort das Meer mit seinen Gestaden und Eilanden, hier das Land, einen solchen Vergleich nahe führt; auch die größere Einheit des Erzählnngsstoffes und die kunstmäßigere Verarbeitung der einzelnen Sagen und Lieder zu einem zusammenhängenden Ganzen hat die deutsche Dichtung mit der griechischen gemein. „Poetischer Ausdruck, sprachliche Gewandtheit, Reichthum der Gedanken, der,Wendungen, der Reime, alles was formell ein Gedicht auszeichnen kann, sind vorzüglicher als in den Nibelungen. Die Erzählung ist lebendiger, die Charaktere sind theilweise noch fester gezeichnet, wenn auch nicht so großartig entworfen. Das Gedicht stellt sich so in eine eigenthümliche Mitte zwischen Kunst- und Volksepos." Wie in den Nibelungen die eheliche Treue
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