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1. Bd. 2 - S. 832

1883 - Leipzig : Engelmann
832 Die Revolutionsbewegungen 1848 und 1849. §.1105. Die Verhandlungen über den delicatesten Punkt der deutschen Verfasiung, das Neichsob er Haupt, nahmen erst im Januar 1849 ihren Anfang, als das Gagern'sche Programm in Betreff Oesterreichs bereits von der Nationalversammlung anerkannt worden war. Durch diese Annahme war aber auch ein großer Schritt zur Entscheidung ver Frage gethan und Gagern selbst hatte sich bereits für ein „einheitliches und erbliches Oberhaupt" ausgesprochen. Gelang es nun, Oesterreich von dem deutschen Bundesstaat fern zu halten, so war kein Zweifel, daß in diesem vielgegliederten „W e st r e i ch" „der Schwerpunkt dahin fallen müsse, wo er factisch liegt." Zum Abschluß konnte die Frage aber nicht geführt werden, so lange die Unterhandlungen mit Oesterreich noch in der Schwebe waren. Man mußte sich also vorerst damit begnügen, alle der Idee eines „preußischen Erbkaiserthums" widerstrebenden Ansichten zu beseitigen und somit den Boden zu bestellen, in dem dann bei der zweiten Lesung diese erbkaiserliche Schöpfung als Krone und Schlußstein der Verfasiung wurzeln und gedeihen könne. Die verschiedenartigsten Vorschläge tauchten auf und wurden berathen; von einer Umgestaltung und Erneuerung des Bundestages, wie die Altconfervativen und Reactionäre verlangten, bis zu einer Präsidentschaft, wozu jeder volljährige Deutsche sollte gelangen können, was die Republikaner erstrebten, lag eine bunte Reihe mittlerer Vorschläge vor, die, von den bestehenden Verhältnissen ausgehend, theils eine Mehrheit, theils einen Einzigen der regierenden Fürsten mit der Leitung des Reichsregiments betraut wissen wollten, aber in der Form, wie dies zu bewerkstelligen, weit auseinandergingen. Die Einen bestanden auf einem Directorium („Fürstencollegium") von mehr oder weniger Gliedern unter dem abwechselnden Vorsitz von Oesterreich und Preußen, oder sie erneuten die alte Idee einer dreiheitlichen Oberleitung („Trias") und begingen dabei die doppelte Ungerechtigkeit , Bayern den beiden Großmächten als gleichberechtigt zur Seite zu stellen und dadurch zwei katholische süddeutsche Häupter dem Einen norddeutschen protestantischen entgegenzusetzen. Da man an diesem collegialischen Reichsregiment hauptsächlich den Mangel eines raschen, einmüthigen und kräftigen Handelns und einer „constanten Politik" rügte, so gewann allmählich die Ansicht, daß eine „einheitliche Spitze" größere Vorzüge habe, einen festen Boden; aber ob die Oberhauptswürde in den mächtigern Herrscherfamilien abwechseln, d. h. ein „Turnus" eintreten sollte, oder ob das Reichsoberhaupt durch Wahl, sei es auf Lebenszeit, sei es auf eine längere oder kürzere Reihe von Jahren, zu dieser Würde gelangen oder endlich ob ein erbliches Kaiserthum geschaffen werden solle, darüber waren die Meinungen im Verfassungsausschuß wie in der Versammlung sehr verschieden. Es war keine schwierige Aufgabe, aus der Geschichte den Vorzug der Einheit und Erblichkeit der Herrscherwürde vor einer gespaltenen oder durch Wahl oder Wechsel gelähmten und geschwächten nachzuweisen: ob aber diese in der Theorie vorzüglichere Verfassungsform für Deutschlands vielgegliedertes Staatswesen möglich und ausführbar sei, darüber wurden nicht zu verachtende Bedenken laut. Allein wie viele Stimmen auch gegen die, hauptsächlich von Dahlmann und Beseler verfochtene „romantische Kaiseridee" ankämpften, wie sehr der ultramontane Katholicismus (in E. v. Lasaulx) Verwahrung einlegte gegen die „historische Sentimentalität" einer Erneuerung des Kaiserthums, wie stark sich der Particularismus der verschiedenen Stämme und Länder und die „Großstaatssucht" der Bayern gegen die Bevorzugung eines einzelnen Staats vor den übrigen ereiferten; wie verächtlich die Partei der Linken und die Großdeutschen im „Pariser Hos" die Idee einer künstlichen Wiederbelebung des deutschen Kaiserthums behandelten — die Versassungsparagraphen, daß die Würde des Reichsoberhaupts einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen werde, und daß dieser den Titel: „Kaiser der Deutschen" führe, wurden von der Mehrheit der Versamm-231-g3“n- lung angenommen; nur über die Erblichkeit konnte vorerst nicht die erforderliche Stimmzahl erlangt werden. — Der „Reichsrath", den der Verfassungsentwurf als „begutachtende Behörde" zur Wahrung der Interessen der Einzelstaaten dem Reichsministerium zur Seite gestellt hatte, schien als „Hemmschuh für die Wirksamkeit der Centralgewalt" gefährlich und wurde daher in der Folge beseitigt.
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