Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bd. 2 - S. 836

1883 - Leipzig : Engelmann
2. Dec. 1848. 836 Die Revolutionsbewegungen 1848 und 1849. tz. 1108. begründen, die persönliche Freiheit auf dem Gebiete der Religion, der Rechtspflege, der Politik, des Verkehrs u. s. w. durch neue Gesetze zu ordnen und zu schützen, und das Steuerwesen und die bäuerlichen und grundherrlichen Verhältnisse im Geiste der Neuzeit umzugestalten. Diese Ansichten legte jenes merkwürdige Programm dar, womit das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den am 22. Nov. 1848 zu Kremsier neu eröffneten Reichstag getreten war. Die Regierung versicherte darin, daß sie „die constitutionelle Monarchie aufrichtig und ohne Rückhalt wolle", daß sie alle den Völkern Oesterreichs zugesicherten Rechte und Freiheiten in nationaler, staatsbürgerlicher und persönlicher Beziehung erhalten und durch entsprechende Gesetze sichern und ordnen werde, und daß erst dem „verjüngten Oesterreich" seine künftige Stellung zu Deutschland angewiesen werden sollte. Der Reichstag nahm, ungeachtet einige Mitglieder noch den trotzigen Geist der Wiener Zeit in sich trugen und gegen die Verlegung protestirt hatten, dieses Programm mit großem Beifall aus; allein die bald nachher eingetroffene Botschaft, daß Kaiser Ferdinand die Krone niedergelegt, sein Bruder Erzherzog Franzkarl der Thronfolge entsagt und des Letztem Sohn Franz Joseph die Herrschaft über den österreichischen Kaiserstaat übernommen habe, „da die Durchführung der begonnenen Reformen jüngere Kräfte erheische", machte die Mitglieder besorgt, die neue Regierung möchte sich nicht an die Zusagen der vorhergehenden gebunden erachten. Diese Besorg-niß wurde zwar durch das Manifest des jungen Kaisers, worin die „Gleichberechtigung aller Völker des Reichs", die „Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz", so wie die „Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung" als Grundlage „der heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung der Gesammtmonarchie" verheißen war, einigermaßen gemindert; aber beim Fortgang der Berathungen trat die Unvereinbarkeit einer aus den Revolutionsstürmen hervorgegangenen Versammlung und einer auf neue Stärkung und Befestigung der- ausübenden Macht bedachten Regierung immer mehr zu Tage. Die kritische Finanzlage des Kaiserstaats, die von dem Reichstag immer neue Opfer und Zugeständnisse zu heischen zwang, stärkte die Opposition der demokratisch gesinnten Mitglieder, und bei Berathung der „Grundrechte" kam die Verschiedenheit des Standpunktes, auf dem die constituirende Versammlung und das Ministerium fußten, klar zum Vorschein. Das Prinzip der „Volkssouveränetät", von dem der Reichstag von Kremsier wie der in Frankfurt ausging, fand in dem an der Herrschermacht „von Gottes Gnaden" festhaltenden Ministerium entschiedenen Widerspruch; und als der Reichstag nicht nur bei diesem Grundsätze beharrte, sondern Freiheiten in Anspruch nahm, die für das polititsch noch so unreife und in religiöser und kirchlicher Beziehung noch so sehr am Gewohnten hängende österreichische Volk viel zu ausgedehnt waren und bei der Einführung auf endlose Schwierigkeiten und Hindernisse gestoßen sein würden, als Rieger, Schuselka und andere Volksvertreter die Politik des Ministeriums und die immer kühner hervortretende Reaction mit heftigen Reden angriffen, da reifte in Olmütz der Entschluß einer Auslösung, ehe das Verfassungswerk zu Ende geführt würde. Am 7. März 1849 wurde der erzbischöfliche Palast in Kremsier, wo der Reichstag seine Sitzungen hielt, vor Tagesanbruch von Militär besetzt und die Abgeordneten zur Abreise genöthigt. Am Abend des 7. März war das Städtchen wieder so leer und öde wie vor dem November 1848. Eine Reihe ministerieller Erlasse (wovon der erste als Beweggründe der Auslösung der Nationalversammlung angab, „daß dieselbe eine Stellung eingenommen, die mit der dem kaiserlichen Hanse gebührenden Treue wenig vereinbar gewesen" und daß durch die inzwischen erfolgten Siege der Heere in Ungarn und Italien eine „Gesammtversasiung" nothwendig geworden, „die über die Grenzen des Berufs des Reichstages hinausgetreten") ertheilten dann eine „octroyirte" Verfassung, ein „Gesetz über die Grundrechte" und ein „Robotentschädigungspatent". Die darin gewährten Rechte blieben zwar hinter den Forderungen der Volksvertreter zurück, allein sie verliehen doch, besonders im Vergleich mit früheren Zuständen, ein hohes Maß von Freiheit und verhießen Reformen in allen Gebieten des kirchlichen, staatlichen und bürgerlichen Lebens, die den Anbruch einer neuen Zeit verkündeten.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer