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1. Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an Mittelschulen - S. 45

1891 - Freiburg i. B. : Wagner
— 45 — begegnete, leitete er ihn durch zweckmäßige Fragen zu der Einsicht, daß Undankbarkeit ein Unrecht sei, zumal wenn sie an der Mutter begangen werde, deren Liebe uns beim Eintritt iu& Leben empfange und in unablässiger Aufopferung durch das ganze Leben, begleite. Überhaupt suchte Sokrates bei seinen Mitbürgern das Pflichtgefühl wieder zu wecken, wie es Perikles ihnen eingepflanzt, die Liebe zum Vaterland und den Sinn für die Ehre der Stadt. Indes auch über Fragen des Alltagslebens wußte er vernünftigen Anschauungen Eingang zu schaffen, namentlich durch sein eigenes Vorbild. Wie er selbst täglich ein Bad nahm, so drang er bei seinen Freunden ans sorgsame Körperpflege; denn Gefnndheit des Leibes sei zu allen Dingen gut und notwendig, auch zum richtigen Gebrauch der Geiftesgaben. Eindringlich wußte er vor Verweichlickmug zu warnen. Als ein Bekannter über die Beschwerden einer Wanderung klagte, die er soeben gemacht, fragte Sokrates, ob er auch etwas getragen. „Nein," war die Antwort. „Da hattest du wohl einen Sklaven bei dir?" „Ja." „Ging er leer?" „O nein, er trug Teppiche und das andere Gepäck." „Und wie ist ihm der Ausflug bekommen?" „Besser als mir." So mußte der Müde das für einen freien Manu beschämende Geständnis thun, daß er weniger ausdauernd sei als ein Sklave! — Auch auf den Haushalt erstreckten sich die weisen Lehren des Sokrates. Durch sein eigenes Beispiel lehrte er die Kunst, mit wenigem zufrieden zu sein. Besonders empfahl er genaue Ordnung im Haufe; da müsse jedes Ding seinen festen Platz haben wie jede Person im Reigen, wie jeder Mann im Heere und jeder Ruderer aus dem -schiffe. So war er thätig vom frühen Morgen bis in die späte Nacht. Auf den Straßen und Ringplätzen, in Hallen und Läden wies er die Bürger durch wohlerwogene Fragen auf die Erkenntnis des wahren Wesens der Dinge. Eines jeden Pflicht sei es, sich selbst und seine Fähigkeiten genau zu prüfen, wie es die Inschrift auf dem Tempel zu Delphi gebot: „Lerne dich selbst kennen!" Wie viel Unheil und Schande werde von einzelnen Leuten und Völkern angestiftet, wenn sie Dinge unternehmen, die sie nicht verstehen! Er selbst kannte sich genau und pflegte zu sagen, eine Gottesstimme im Innern, ein „Daimonion ", warne ihn vor jedem Schritte, der ihm nicht anstehe. Um unter seiner Leitung die Wahrheit suchen zu lernen, schlossen sich ältere und jüngere Männer ihm an, andere zog er selbst an sich. Von keinem nahm er eine Bezahlung an; aber alle vergalten ihm mit Liebe und Hingebung. In einem Zerwürfnis mit dem kleinen Isthmusstaate Megaris, welches dem
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