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1. Geschichte der neueren Zeit - S. 210

1876 - Mainz : Kunze
210 Zweite Periode der neueren Geschichte. Die Schauspielerin Karoline Neuber welcher die natürliche Größe der Frauen bedeutend hob.*) Der Fuß ward durch ein zollhohes, an der Sohle des seidenen Ballschuhes angebrachtes Stelzchen genöthigt, auf der Spitze zu schweben. Das aus Fischbeinstäbchen harnischartig zusammengefügte, fest angelegte Corset schnürte die Taille über den Hüften wespenartig zusammen. Ueber den weitschweifigen Reifrock floß ein mit tausend Falten garnirtes Seidengewand und über dieses das mit einer Schleppe versehene Ober-kleid von gleichem Stoff, welches zu beiden Seiten mit reichem Besätze geschmückt war und vorn auseinander fiel. Die Aermel desselben waren mit Blonden reich besetzt und reichten bis zum Ellbogen; lange parfümirte Handschuhe deckten die Vorderarme. Die Schminkkunst war raffinirt ausgebildet, jüngeren Leuten aber an manchen Orten durch die Sitte untersagt. Dabei führten die Damen elegante Perlmutterdöschen, die einen Vorrath von schwarzen, englischen Schönheitspflästerchen enthielten. Diese wurden in Gestalt von Sternchen und Herzchen auf Wange und Kinn geklebt und sollten die fehlenden Grübchen ersetzen oder den Ausdruck des Mienenspiels erhöhen. Das gesellige Leben der bürgerlichen Kreise bewegte sich in den strengen Formen herkömmlicher Sitte. Keine Frau konnte ohne männliche Begleitung im Theater, auf Bällen oder Spaziergängen sich zeigen; es galt sogar für unanständig, ohne Kammermädchen über die Straße, zur Kirche, auf den Markt oder in einen Kaufladen zu gehen. Man setzte die Bestimmung der Frauen und Töchter bürgerlicher Familien in die treue Führung des Hauswesens, und was damit nicht in Verbindung stand, ward nicht geliebt. Man sah es ungern, wenn Frauen und Töchter bürgerlicher Kreise sich mit Lektüre befaßten, verlangte strenge Unterwürfigkeit unter die Anordnungen des Hausvaters, und auch die Brüder übten den Schwestern gegenüber eine gewisse Oberhoheit aus. Daraus ist es bei dem Mangel guter Mädchenschulen auch sehr erklärlich, daß die Bildung der Frauen nicht hoch stand, aber dieser Mangel wurde durch einen guten Mutterwitz und natürliche Heiterkeit genugsam aufgewogen. Nur wenige Frauen jener Zeit haben sich auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft bemerkbar gemacht; wir nennen von denselben Karoline Neuber, Louise Gottsched, Anna Louise Karsch Angelika Kaufmann und Elise vtm der Recke. Friederike Karoline Neuber, die Tochter des Advokaten Weißenborn in Reichenbach, verlor frühzeitig ihre Mutter und erfuhr von ihrem Vater, der nach Zwickau übergesiedelt war, eine üble Behandlung. *) Fontangen nannte man diese abscheuliche Frisur nach ihrer Erfinderin, dem Fräulein von Fontanges.
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