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1. Geschichte des Mittelalters - S. 89

1888 - Wiesbaden : Kunze
§. 16. Die Frauen. 89 und der Kaiser als das weltliche. Die Kaiserin betrachtete man als die erste Frau in der abendländischen Christenheit, und in diesem Sinne nennen die damaligen Dichter die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, die Kaiserin des Himmels. Die Kaiserin hatte einen bestimmten Anteil an den Regierungsgeschäften; sie hatte ihre Erzbeamten wie der Kaiser. Ihr Erzpriester und Kaplan war der Abt von Kempten, ihr Erzkanzler der Fürstabt von Fulda, welcher bei der Krönung der Kaiserin die Krone vom Haupte hob, um dieselbe in seine Verwahrung zu nehmen. Die Kaiserin genoß große Vorrechte: ihr kam das Recht zu, Panisbriefe*) auszustellen, sowie die erste Bitte an die weiblichen Stifter und Klöster zu richten und weibliche Orden zu stiften. Liutgart starb 802 kinderlos. Nochmals wurde eine Vermählung Karls mit der griechischen Kaiserin Irene beabsichtigt, allein sie kam nicht zustande. Karl hielt seine Töchter zur Thätigkeit an (§. 15); sie mußten spinnen und weben und seine Kleider fertigen. So zärtlich er auch gegen seine Kinder war, so mochte ihre Ausbildung doch dadurch leiden, daß die Töchter den Vater aus allen Reisen, Jagden und Kriegszügen begleiteten. Später ermangelten sie der strengen Zucht und Sittlichkeit, weshalb sie auch nach Karls Tod den Hof Ludwigs des Frommen verlassen mußten. Selig sei die Stadt genannt, Wo ich Emma wieder fand. Es giebt noch mehrere Sagen von Karls Familie, z. B. von seinen Großeltern mütterlicherseits, von Flur und Blancheflur (Rose und Lilie), ferner von seiner verstoßenen Schwester Bertha, welche Uhland in seinen Balladen „Klein Roland" und „Roland Schildträger" benutzt hat. — Die Sage berichtet auch, daß, als die schöne Fastrade gestorben war, der Kaiser sich nicht von ihr trennen konnte, sondern sic Tag und Nacht bei sich behalten habe. Das sah der Bischof von Köln; es jammerte ihn, und er rief Gott um Hilfe an. Da vernahm er am Altar eine Stimme, die ihm zurief: „Die Ursache dieser seltsamen Liebe des Kaisers liegt unter der Zunge der verstorbenen Frau." Der Bischof begab sich zur Leiche, öffnete den Mund derselben und fand hier einen kleinen Ring mit einem Edelstein, den er herausnahm. Der Kaiser war geheilt, ließ die Leiche bestatten und zeigte seitdem große Zuneigung zu dem Bischof, von dem er sich nicht trennen mochte. Dieser warf zuletzt den Ring in die Quelle von Aachen; seitdem fühlte sich Karl gleichsam an jene Stätte gebannt, erbaute daselbst einen Polast und beschloß in demselben auch sein Leben. *) Unter einem Panisbrief oder Brotbrief verstand man die schriftliche Empfehlung einer Person an ein Stift oder Kloster, dieselbe auf eine bestimmte Zeit oder lebenslänglich zu versorgen.
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