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1. Geschichte des Mittelalters - S. 204

1888 - Wiesbaden : Kunze
204 Dritte Periode des Mittelalters. orientalische Wunderwelt mit der Geschichte seines Helden verknüpfte, das Rolandslied des Pfaffen Konrad, der Karls des Großen Zug nach Spanien und das Schicksal Rolands besang, sowie die Gedichte Königrother, Herzogernst und die erste deutsche Bearbeitung des Reinhart Fuchs durch Heinrich den Glichesäre. Jetzt ging die Pflege der Dichtkunst auf den Ritterstand und in die Hände fahrender Sänger über. Selbst gekrönte Häupter zeichneten sich im Gesänge aus, so namentlich Heinrich Vi. und Friedrich Ii. Außer den Hohenstaufen beschützten der Landgraf Hermann von Thüringen und die östreichischen Herzöge die Dichtkunst und versammelten an ihren Höfen die berühmtesten Sänger. Oft kamen die Dichter zu einem poetischen Wettstreite zusammen. Ein solcher ist uns von einem Meister des 14. Jahrhunderts in dem „Sängerkriege auf der Wartburg" geschildert worden. Diese erfreuliche Erscheinung führte zur ersten Blütezeit der deutschen Litteratur, sowohl auf dem Gebiete der Volkspoesie wie der Kunstpoesie, wo epische, lyrische und didaktische Werke entstanden und zum Teil noch erhalten sind. Die Volkspoesie wurde von fahrenden Sängern geübt, welche an den Höfen und bei Volksfesten von den alten nationalen Helden längst entschwundener Zeiten sangen und ihre Stoffe den Sagenkreisen entnahmen, welche oben (§. 5, 3) genannt sind. In dieser Zeit sind die vorzüglichsten deutschen Volksepen abgefaßt worden, das Nibelungenlied und das Gudrunlied, aber weder von diesen noch von anderen epischen wie lyrischen Volksdichtungen kennt man den Verfasser. Die Kunstpoesie wird, weil sie von Fürsten und Adligen ausgeübt wurde, auch Ritter- oder höfische Poesie genannt. Die epische Kunstpoesie wählte inländische und ausländische Stoffe; sie behandelt den Sagenkreis Karls des Großen und seiner Paladine, des Königs Artus und seiner Tafelrunde, des heiligen Grals*) oder die antiken Stoffe des trojanischen Krieges, des Äneas rc. Die vier bedeutendsten epischen Dichter waren Heinrich von Veldeke, welcher an dem Hofe zu Cleve den größten Teil seiner Eneit dichtete und das ihm entführte Werk am thüringischen Hofe wiedererhielt und 1189 vollendete; ferner Hartmann von Aue, ein schwäbischer Ritter, welcher an einem Kreuzzuge sich beteiligte und zuerst mit Glück die *) Der heilige Gral wurde als eine kostbare Schale angesehen, deren sich Christus beim letzten Abendmahl bedient und in die Joseph von Ari-mathia bei der Grablegung das Blut des Herrn aufgefangen haben soll. Die Gralsage hat ihren Ursprung in Hindostan.
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