Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Geschichte des Mittelalters - S. 211

1888 - Wiesbaden : Kunze
§. 32. Die Frauen des dritten Zeitraums. 211 Eigensinn ihrer Dame zu trösten, sondern fügten sich demütiglich den Geboten, welche man ihnen gab- Dieses unwürdige Kriechen der Männer mag freilich manche Dame bewogen haben, die ihr verliehene Gewalt zu mißbrauchen. Der bekannte steirische Edelherr Ulrich von Lichten stein hat das genugsam erfahren. Schon als Edelknecht hatte er sich die Dame auserwählt, der er dienen wollte. Ihr zu Gefallen that er alles. Er ließ sich seine allzubreite Oberlippe abschneiden, weil seine Dame es verlangte, er mischte sich unter die Aussätzigen, um vergeblich seine Dame zu erwarten, er hieb sich einen verwundeten Finger ab, weil seine Dame die Wunde für unbedeutend hielt. Als er ihr den Finger geschmückt in einem reichen Kästchen sandte, brach sie in Verwunderung aus, daß ein vernünftiger Mensch so sinnlos handeln könne. Und der nämliche Ulrich hatte aus seiner Burg ein treues Weib, welches er liebte und das ihn freundlich pflegte und empfing, wenn er von solchen abenteuerlichen Zügen heimkehrte. Oftmals aber benutzten die Frauen auch ihre Machtvollkommenheiten, die Ritter zu einem großen, ruhmreichen Unternehmen zu bewegen. Die Ritter Frankreichs und Deutschlands entschlossen sich fast durchgehend schwer, das Kreuz zu nehmen oder verschoben wenigstens die Ausführung so lange als möglich. Die Geistlichen mahnten oft vergebens; da erhoben sich die Frauen, forderten den Zug ins gelobte Land als Beweis der Liebe und fanden gehorsameres Ohr. So freudig auch die Turniere und Festgelage für die Frauen dadurch waren, daß sie sich dabei im köstlichen Schmucke zeigen, den Rittern mit eigner Hand den Siegespreis spenden und an ihrer Seite bei der Tafel die Zeit in heiterem Gespräche kürzen konnten, so war doch das gewöhnliche Leben auf den Burgen, besonders wenn der Herr abwesend war, ein einsames und einförmiges. In einfacher Kleidung gingen die Frauen dann den gewohnten häuslichen Geschäften nach. Das Weben und Anfertigen der Gewänder fiel den Töchtern des Hauses zu; selten erblickte man sie außer dem Hause, wenn nicht Anlässe es verlangten. Ging eine Frau aus, so hielt man es für unpassend, wenn sie die Augen frei umherwandte und nicht züchtig und bescheiden vor sich niederblickte. Dabei mußte sie freundlich und artig gegen jedermann sich zeigen und durfte keinen Gruß unerwidert lassen. Trat ein Mann grüßend in das Zimmer, 1° erhoben sich die Frauen und wenn es Königinnen gewesen wären, um den Gruß zu erwidern. 14*
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer