1904 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Pahde, Adolf, Seydlitz, Ernst von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Rheinland
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Ortskunde. 35
Speldorf (mit der großen Hauptwerkstätte der rechtsrheinischen Eisenbahn, wie Nippes
[f. S. 32: und Oppum bei Krefeld linksrheinisch , Saarn und Styrum haben sich jetzt
mit Mülheim vereinigt.
Seit dem 1. Jan. 1904 bildet Mülheim a. d. Ruhr^ einen Stadt-
kreis von 90000 Einw., der mit Duisburg zusammen zu den dichtbevölkerten
Teilen der Provinz gehört. Er weist mannigfache Industrie auf (Friedrich-
Wilhelms-Hütte, Walzwerk und andere Eisenwerke, wohl an 70gerbereien usw.);
die Lage am Eingange zu den Kohlenschätzen des Ardey bedingt daneben einen
bedeutenden Kohlenhandel, dessen Schiffe neben denen von Ruhrort und Dnis-
bürg von Rotterdam bis Mannheim gehen. — Gleich in der nächsten Um-
gebung begiuut die Reihe der Kohlenzechen2, die besonders am Nordabhange
des Gebirges bis weit nach Westfalen hineinreicht. Hier kreuzen sich die
Linien der früheren Köln-Mindener, Bergisch-Märkischen und Rheinischen Eisen-
bahn mehrfach, und besondere Seitenlinien schließen die industriellen Werke
und die Zechen an (s. S. 18); elektrische Straßenbahnen gibt es in dem ganzen
Ruhrkohlengebiete von Jahr zu Jahr mehr. Den Mittelpunkt des Kohlen-
beckens, spweit es unserer Provinz angehört, bildet der Stadtkreis Essen.
Trotz 1000jähriger Geschichte — die prächtige Münsterkirche weist noch aus die
Zeiten des Franenstists zurück (). S. 16) — hat Essen erst in der Neuzeit
durch Kohle und Eisen seine Größe erlangt, während es noch als Ackerstädtchen
von noch nicht 4000 Einw. preußisch geworden war.
Erst als an die Stelle des unbedeutenden wagerechten Tagebaues der nur durch
Dampfmaschinen mögliche Bergwerksbetrieb in die Tiefe trat, der die Stadt selbst unter-
wühlt, als dann mit Hilfe der so gewonnenen Steinkohlen die Eisenerze (jetzt meist von
Sieg und Lahn und fremden Ländern verhüttet und nnn Gußeisen, Schmiedeeisen und
Stahl verarbeitet wurden, begann der Aufschwuug; für die Stadt Essen schließt er sich an
den Namen Krnpp an.
Aus den unscheinbarsten Ansängen ist durch die rastlose Tatkraft des
„Kanonenkönigs" Alfred Krnpp, des Vaters seiner Arbeiter (f 1887), die
größte Fabrik der Erde entstanden, die an der Westseite von Essen ungefähr
4 qkm bedeckt. > Näheres s. Abbildung S. 55.) Durch Eingemeindung des z. T.
von Krupps Arbeiterkolonien erfüllten Vororts Altendorf, jetzt Essen-West, hat
es der Stadtkreis Essen auf mehr als 180000 Seelen gebracht.
Steinkohlenzechen finden sich dort in Menge, ebenfo z. B. in Alten essen (30000 E.)
und in Borbeck, der größten preußischen Landgemeinde ,50000 E.v. An den Schacht-
gebäuden und Eisenwerken ragen Schornsteine in die Lnft, und den Nachthimmel beleuchten
die Hohöfeu und Kokereien (vgl. S. 22).
Wie Kohlen- und Eisenindustrie umgestaltend wirken können, das lehrt am auf-
fallendsten das Beispiel des aus dem Nichts der Heide in 5 Jahrzehnten emporgewachsenen
Eisenbahnknotenpunktes Oberhausen (jetzt etwa 45000 E.); für diese Stadt ist die jenseit
der Emscher nach Sterkrade (16 000 E.) ausgedehnte „Gnte-Hoffnungs-Hütte"
besonders wichtig.
11. Der Gau des Niederrheines und der Niers.
Wenn die früher betrachteten größeren Rheinstädte wegen ihres römischen
Ursprungs aus dem linken Ufer lagen, folgen jetzt solche auf dem rechten Ufer
als Häfen für die Jndnstriebezirke. Da, wo nach Aufnahme der Erft (stehe
S. 31) der Rhein eine fo scharfe Biegung macht, daß sein Bett (an einer
1 Geburtsort des Dichters der Jobsiade, Dr. A. Kortnm, und des Schinan-Forschers
Prof. Dr. Karl von den Steinen.
2 Ms 8 Zechen der Mülheimer Umgebung förderten 5000 Bergleute im Jahre 1883
o nn6~ Milliarden kg Kohlen. — Am 29. Nov. 1897 wurden im Rnhrkohlengebiet
302o800 Ztr. Kohlen und Koks auf 15129 Eisenbahnwagen (zu 10 Tonnen) zur Ber-
sendnng gebracht! (Zum erstenmal mehr als 15000 Wagen an einem Tage.)