1902 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Oehlmann, Ernst
- Auflagennummer (WdK): 23
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Kaukasiern
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bis in die Halbinsel Apscheron und findet jenseits des Kaspischen Meeres
eine Fortsetzung in Turàn, wie er sich auf der Krim im Ja'ila-Gebirge fort-
setzt. Er bildet ein schiefes Viereck, dessen W.o.-Diagonale die Hauptkette
beim Kasbek (5040 m) und bei der Festung Wladikawkas, d. i. Be-
herrscher des K., schneidet, und hier führt die grusinische Militärstraße über
den Darielpaß (1250 m) und den Kreuzpaß (2430 m) durch das Herz
des Hochgebirges. Vom Kasbek bis zum Elbrus*, einem erloschenen Vulkane,
dem höchsten der zahllosen Gipfel (5640 m), beträgt die Kammhöhe 3000 m.
Von den Gewässern gehen zwei auf der N.-Seite, der Kuban ins
Schwarze, der Terêk ins Kaspische Meer, gleichfalls zwei auf der S.-Seite,
der Rio n (Ulmsig) ins Schwarze, die Kur ins Kaspische Meer. Ihr bisheriger
Nebenfluß, der Aras (Araxes), hat jüngst wieder eine selbständige Mündung
gewonnen. Das tiefgelegene n. Vorland des Gebirgszuges, Eiskaukasien,
ist im O. steppenartig dürr und nur zur Viehzucht benutzt, im N.w. aber
außerordentlich fruchtbar; das meist bergige Vorland im S., Transkaukasien,
hat im W. größtenteils üppigen Pflanzenwuchs, dagegen ist die Tiefebene an
der unteren Kur eine öde Steppet Als natürliche Grenze gegen Europa
gilt die Niederung des Flusses Manytsch, der, in den Vorbergen des
Kaukasus entspringend, in der regnerischen Zeit sein Wasser zugleich in den
Don und das Kaspische Meer entsendet. Jenseits der Senke von Transkau-
kasien erhebt sich das armenische Bergland.
Ähnlichkeit mit den Alpen besteht nur im mittleren Teile, der von S. aus sich etwa an-
sieht wie jene von der Po-Ebene aus, nur sind die Gipfel des K. weniger scharf gegliedert.
Hier sind auch die Talformen und Pässe denen der Alpen ähnlich, doch sind große Wasser-
fälle selten, und Talseen fehlen ganz. Tektonisch ist der K. unvergleichlich einfacher als
jene, Urgestein fehlt, dagegen sind Granite und andere Auswurfgesteine massenhaft ver-
breitet. Die höchsten Gipfel sind erloschene Vulkane, während in den Alpen jüngerer
Vulkanismus ganz fehlt. Da die Luft viel reicher an Dunstgehalt ist, so ist auch die
Schneedecke massenhafter und der Gletscherreichtum, der dem Gebirge ein so überwälti-
gendes Aussehen verleiht, viel großartiger. Hier wie in den Alpen steiler Abfall nach S.
Im armenischen Berglande erfreuen zahlreiche Seenbecken das Äuge, darunter der blaue
Goktscha, in 1930 m Höhe, 2^mal so groß wie der Bodensee.
Der vortreffliche Boden in den ebeneren Teilen Transkaukasiens kann alle Er-
zeugnisse der subtropischen Zone liefern; er gestattet jährlich eine zweimalige Tabaks-
ernte und an den Vorbergen Armeniens eine ungemeine Verdichtung der Bevölkerung,
obgleich hier die georgischen Mingrelier den Acker noch mit den rohen Werkzeugen der
Patriarchenzeit bearbeiten. Lebhafter Durchgangshandel zwischen dem Schwarzen Meere
und dem O. mit Hilfe der Bahn Batüm-Bakü. Die Petroleumschätze von Baku
treten den amerikanischen auf dem europäischen Markte bereits erfolgreich entgegen.
Sie verraten zwar neuerdings starke Zeichen von Erschöpfung, aber in der Nachbarschaft
harren noch andere der Ausbeute. Seidenfabriken und seit zwei Jahrzehnten Tee.
Im Hochgebirge Viehzucht, in den n. Steppen Nomaden, die aus den salzgeschwängerten
Seen der kaspffchen Niederung Kochsalz gewinnen.
Bewohner. Das nicht lange nach der Unterwerfung des Fürsten Schamyl
(1859) von den Russen völlig bezwungene Bergland hat von jeher völker-
trennend gewirkt, während das Kaspische Meer und die Gebirgslücke n. von
ihm, ebenso das Schwarze Meer, stets Völkertore waren. Dagegen ist der
Kaukasus immer eine Zufiuchtsstütte bedrängter, kleiner Völkerschaften gewesen
und dadurch zum „Gebirge der 100 Sprachen" geworden, die sich aber zu 1
1 D. i. „Glänzender Berg".