1909 -
Paderborn
: Schöningh
- Autor: Nieberding, Karl, Richter, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 25
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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bei, solange nicht andere Kräfte die Lage der einzelnen Teilchen zu
verändern suchen. Eine solche Kraft ist die Drehung, durch die
die leicht verschiebbaren Massenteilchen der noch flüssigen Erdkugel
zum Äquator hin gedrängt werden mußten. (Versuch mit einem
schnell rotierenden Oltropsen.) — Temperatnrbeobachtuugen in Gruben
und Bohrlöchern haben ergeben, daß die Wärme der Erde von
ihrer Oberfläche (um durchschnittlich 3° auf je 100 m) nach ihrem
Mittelpunkte hin zunimmt. Diese Beobachtungen und der Ursprung-
liche Zustand der Erde scheinen dafür zu sprechen, daß nur die Erd-
kruste starr ist. das Erdinnere dagegen noch jetzt in glühend flüssigem
Zustande sich befindet.
Nach der Kant-Laplaceschen Hypothese ^ bildeten die Planeten zu-
stimmen mit der Sonne anfänglich einen einzigen ungeheuren Gasball
mit langsamer Drehung. Allmählich verdichtete sich die Masse, und
die Geschwindigkeit der Drehung nahm immer mehr zu. Durch die
wachsende Schwungkraft flachte sich der Gasball ab, und an seinem
Äquator lösten sich von Zeit zu Zeit eiuzelne Massen los, die, anfangs
in Gestalt von Ringen, in der gleichen Richtung die Hauptmasse um-
kreisten, dann zerrissen und sich zu Kugeln zusammenballten. So ent-
standen die Planeten, und in ähnlicher Wiederholung des Vorganges
die Nebenplaneten, während die mittlere Masse als Sonne übrigblieb.
Die Erde bildete bei der Trennung von der Sonne eine gas-
förmige, bei fortschreitender Verdichtung eine feuerflüssige Masse, die das
Wasser und die leichtflüssigen Bestandteile im Zustande von Dämpfen
wie eine ungeheure Hülle umgaben. Bei der allmählichen Erkaltung
bildete ffch dann eine feste Erdkruste, während das Innere noch jetzt ein
flüssiges Feuermeer ist. Infolge der Erdabkühlung erkaltete auch die
umgebende Dampfhülle und verdichtete sich zu Wasser, das dann auf
die starre Erdkruste niederschlug. — Was die weitere Entwicklung der
Erdoberfläche betrifft, so führte man früher alle Veränderungen auf
gewaltige Umwälzungen zurück, indem man dieselben entweder lediglich
als Wirkungen des Wassers tneptunismus) oder als Wirkungen des
Feuers (Plutonisinus, Vulkanismus) betrachtete. In neuerer Zeit suchte
man selbst die größten Veränderungen, die an der Erdoberfläche im
Laufe der Zeiten vor sich gegangen sind, durch die noch jetzt wirkenden
(§ 114) unscheinbaren, aber mit der Zeit die großartigsten Wirkungen
hervorbringenden Kräfte der Natur zu erklären: Evolutionstheorie^.
§ 108. |>te Luft, pie Luftströmungen.
1. Die Wärme der Lust, die die Erde bis zu einer Höhe
von etwa 300 km (Höhe des höchsten Berges?) rings umgibt, ist
am größten an der Erdoberfläche, nach oben nimmt sie ab (um y2°
auf je 100 in). Der Grund dieser Erscheinung liegt in der Art der
Lusterwärmung. Die Sonnenstrahlen erwärmen nämlich die Luft
1 — Voraussetzung, Annahme, v. gricch. hypöthesis. Der deutsche Philosoph
Kant starb 1804, der französische Mathematiker und Astronom Laplace 1827.
2 Entwicklungslehre, v. tat. evolvere — entwickeln und v. griech. theoria.
— Lehre (theörein = betrachten, erwägen).