1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Mittel-Europa.
davon steht ein Gasthaus mit einer Thurmwarte, um zu übernachten und der weiten
Aussicht zu genießen. Die Weite der Aussicht hat 17 Meileu im Halbmesser, also das
Doppelte im Durchmesser. Man sieht in dämmernder Ferne die Städte Magdeburg,
Brauuschweig und Hannover. Die Elbe vermuthet man in einem seinen Silberstreif
am Horizonte. Gegen S. liegen Hunderte von Gipfeln, dunkle Tannenwälder und
zwischenschimmernde grüne Gebirgswieseu. Heber die ganze Harzbreite hinweg sieht
man bis zum Schlosse von Gotha und zum Herknles bei Kassel. Nur fehlt in der
nächsten Umgebung ein bedeutender Wasserspiegel, Strom oder See. Vom Brocken-
haus südöstl. ist nur 1/i M. zur kahlen Granitkuppe Heiurichshohe, und ebenfalls
nicht weit zu den Hirschhörnern oder Felsspitzen des Königsberges, 77 m. unter
dem Horizont des Brockenhauses. — Im Unterharz sind die bedeutendsten Gipfel der
granitne Ramberg (Bicrorshöhe) bei Mägdespruug und der Auerberg (Josephs-
höhe) bei Stollberg.
Ungeachtet mehrerer kleinen Flüsse hat das Gebirg doch keine Wasserfülle; wenig-
stens vom Oberharz kann man sagen, daß er ärmer an lebendigen Wassern sei als
andere Gebirge Deutschlands; man trifft dort 2—3 Stunden weit keinen Quell an.
Deshalb ist nur in den sanfteren Schluchten und Thalungen guter Graswuchs, Die
Herden der Harzdörfer weiden zwischen den Wäldern an Berghängen und auf niederen
Kuppen, aber auf höheren Kuppen ists öde. Sieh Jucht belebt im allgemeinen das
Gebirg weniger, als z. B. manche Alpengegenden, obschon hie und da das Schellen-
gelänte der Bergkühe den Wanderer erfreut, treffliche Milch ihn erquickt, und in den
nächsten Nachbarlaudeu die kleinen Harzkäse beliebt sind. Die größten Reichthümer des
Harzes bestehen in Metallen, welche durch den Bergbau zu Tage gefördert, in
Schmelzhütten geschieden, in Hammerwerken und Fabriken verarbeitet werden. Berg-
bau und Hüttenwesen erstreckt sich aber nicht wie Biehhütung und Milchwirthschast
über ein ganzes Gebirg, sondern sammelt die Thätigkeit der Menschen mir an einzel-
nen Stellen. Daher ists oft so einsam auf dem düsteren Harze. Wie einsam, schauer-
lich und durch wilde Thiere gefahrvoll muß es vor 1000 Jahren gewesen sein, ehe das
Herausfördern und Verarbeiten der Metalle Anlaß zu Errichtung von Dörfern und
Städten gab. Dies geschah erst, als die Herzoge der Sachsen zugleich Könige über
ganz Deutschland waren. Der erste unter ihnen, Heinrich der Finkler, ein tapfe-
rer, edelmüthiger und volksfreundlicher Herr, hat sich den Namen Städlegründer er-
worbeu. Er zog waffenfähige Männer vom Land in die kleinen Orte Sachsens und
Thüringens, die er zum Schutz gegen die damals Deutschland bedrohenden Ungarn
oder Magyaren mit Mauern und Thürmen umgeben ließ, und so erhoben sich viele
Städte, andern deutschen Ländern zum Muster. Zu diesen gehört Quedlinburg
(nahe der Gegend der Roßtrappe), wo Heinrich begraben liegt. In einer der Vor-
städte zeigt man den Finkenherd, ans dem nach der Sage dem mit Vogelfang beschäf-
tigten Sachsenherzoge die deutsche Köuigskrone augeboten wurde. Zur Zeit seines Soh-
nes Otto des Großen ward im Rammelsberge (im Oberharz) Silber entdeckt, und
die Ansbente war anfangs so bedeutend, daß Sachsen die reichste Gegend des deutschen
Vaterlandes ward. Bloßes Silber macht nicht reich, aber die Thätigkeit, welche der
Grubenbau anregt. Nun ward der Bergbau allmählich paßlicher betrieben, an meh-