1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
112
Mittel-Europa.
Täten und Villen; man genießt hier Schatten, Kühlung, unverdorbene Luft, und scheint
wenigstens aus der meist saudigen Natur des Landes entrückt zu sein. Der Berliner
rühmt sich seiner Stadt und seines Staates; denn bei ihm hat der grüßte König der
Neuzeit gelebt und regiert, und wie schon früher in geistiger, in wissenschaftlicher und
künstlerischer („Berolinum lumen orbi"), ist Berlin nun auch in politischer Beziehung die
Hauptstadt Deutschlands geworden. Berlin ist Geburts- und Bildungsstätte vieler aus-
gezeichneter Männer, der Brüder Wilhelm und Alexander V. Humboldt, des Generals
Grolmauu, der Comvouisten Zelter und Mendelsohn, des Schauspielers L. Devrieut, des
Physiologen I. Müller u. s. w. Die Universität und die Akademie der Wissenschaften zogen
ausgezeichnete Gelehrte herbei, wie Schleiermacher, Neander; Savigny; Fichte, Hegel, Schel-
ling, Niebuhr, Raumer, Ranke, Mommsen; Ritter; Böckh, Lachmann, Hagen, I. und
W. Grimm, Bopp; Enke, Lichtensteiu, Poggendors, Dove, Ehrenberg; Huseland, Diesten-
bach, Gräfe :c. — An künstlerischer und fabrizirender Betriebsamkeit fehlt es nicht.
Eisen- und Erzmaffen werden in die manchfaltigsten Maschinen- und Kunstgebilde
umgeschaffen; und aus der Porzellanfabrik gehen jährlich über 72 Million Geschirre
hervor. Auch gibt es andere Fabrikation in Seide, Wolle, Baumwolle, Leder und in
Tapeten; Eisenbahnen nach Hamburg, Stettin, Breslau, Magdeburg, Halle u. f. w.
fördern den Handelsverkehr. Was Vaterlandsliebe im Herzen der Berliner vermag,
hat das Jahr 1813 bewiesen; ein 20 m. hohes eisernes Denkmal vorm Hallischen Thore
erinnert daran. — Charlottenburg unterhalb Berlin an der Spree mit königl.
Lustschlosse; im Parke das granitne Mausoleum, worin Königin Luise und ihr Ge-
mahl aus dem Paradebette, von Rauch; die schlummernde Luise, ein noch schöneres Werk
desselben Meisters, hat ihre Stätte in einem Mausoleum bei Charlottenhof unweit
Potsdam.
Die Havel, die sich bei der Festung Spandau mit der Spree ver-
eint, kommt unweit Strelitz aus mecklenburgischen Seen, durchfließt, in ih-
rem Mittellause von Tegel bis Plaue eine Anzahl von Seen bildend und
hier von zahlreichen Schwänen bevölkert, halbkreisförmig und zwischen
flachen Ufern die Mark Brandenburg; ihr Lauf ist 35 Meilen lang. Sie
ist schiffbar, für den Handel also von Werth und durch den Finow-Ka-
nal mit der Oder verbunden. Außerdem sührt noch der Mühlroser
Kanal aus der Spree zur Oder, der Plauensche vom letzten Havelsee
zur Elbe und der Rhin- oder Nenrnppiner von der Havel zum Rhin.
In der Nähe des Finow-Kauals gibt es Wald genug, um Eisenwerke betreiben
zu können, wie zu Neustadt-Eberswalde, und Messingwerke wie im Dorfe He-
germühle, so daß sich im saudigen Brandenburg eine Betriebsamkeit findet, wie
sonst nur an Gebirgen, zu Neustadt an der Dosse sogar eine bedeutende Spiegel-
Hütte. Auch haben die Märker, den Kursachsen nachahmend, die Schafzucht veredelt, und
an manchen Stellen, besonders am rechten Havelufer, hat die Natur ergibiges Korn-
land verliehen. — Potsdam, wohlgebaute Stadt an der Havel mit 44000 E. und
7000 Soldaten, in schwach hügeliger, angenehmer Gegend. Pctzdam war gewöhn-
licher Aufenthalt Friedrich des Großen, der sich neben der Stadt das Schloß