1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Gebiet der Donau.
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zeichen der Stadt gesehen werden kann. Ein zweiter Thurm, der neben dem andern
sich erheben sollte, ist nur halb zu Stande gekommen, gerade wie am Straßburger
Münster; seit 1516 blieb die Arbeit daran liegen. Eine treffliche Büste Meister
Buchsbaums sieht man im Innern der Kirche, auch ein Denkmal des Prinzen Eugen
von Savoyen. Andere Denkmale stehen auf öffentlichen Plätzen, wie die Reiterstatue
des edlen Kaisers Josef Ii. Höheren Kuustwerth besitzt aber das Grabmal der Erz-
Herzogin Christina in der Augustinerkirche, ein Werk Canovas, von dem auch ein Theseus
als Centaurensieger im Volksgarten zu sehen ist. In den Vorstädten sind die Straßen
breiter und luftiger, und der adeligen Paläste gleichfalls viele; hier geschmackvolle Gär-
ten, auch vorzügliche öffentliche Gebäude, namentlich das Belvedere mit der kaiserlichen
Gemäldesammlung, das prächtige Münzgebäude, das polytechnische Institut mit den
neuen Ausstellungssälen, das Opernhaus, das Musikvereinsgebäude:c. Die regulirte
große Donau, an welcher ein zehnter Stadttheil, die „Donaustadt", bereits im Entstehen
begriffen ist, wird von 4 Brücken für Eisenbahnen und Volkspassage überspannt wer-
den; von diesen ist außer der älteren Nordbahnbrücke (bei Florisdorf) die im Prater
bei Stadelan (760 in. lang) bereits fertig. Der Prater auf Donau-Aulaud ist ein
großer Lustwald von Laubholz mit prächtigen Alleen, Wildgehege, Fasanerie, Kaffee- und
Weinhäusern und Volksbelustiguugen. Der früher gleichem Zwecke dienende Augarten
ist nur am 1. Mai vielbesucht; die Brigittenan ist zu einer Art Vorstadt geworden. —
Viele tausend Menschen beschäftigen sich in Fabriken und Manufakturen verschiedener
Art, wie auch mit Handel, denn Wien ist die größte Fabrikstadt des Reichs und Mit-
telpuukt des österreich. Handels, der jetzt durch Dampfschifffahrt und Eifeubahnen unge-
mein befördert wird. Unter den Künsten ist die zu Wien am meisten geliebte die Musik;
sie wurde dort im vorigen Jahrhundert durch I. Haydn (geb. 1732 zu Rohrau an der
Leitha) und durch Mozart (geb. zu Salzburg 1756) sehr gefördert. Ueber die Umgegend
Wiens siehe oben Seite 59.
Gleich andern Städten an der Donau war auch Wien ein römischer Grenzplatz,
und theilte deren Schicksale in der verheerenden Zeit der Völkerzüge, bis es wieder ein
Grenzplatz, aber des deutschen Reiches, wurde und sich zum Hauptorte der Mark Oester-
reich erhob. In glücklicher Stunde hatte Kaiser Otto Ii. einem Grafen von Baden-
berg das Markgrafen-Amt übertragen, das sich 264 Jahre ehrenvoll, zuletzt mit dem
Herzogstitel, iu derselben Familie erhielt. Dem Wiener, dem Oesterreicher überhaupt,
kann die Erinnerung an die Babenberger noch immer lieb sein. Es war die tüchtigste
Zeit des Mittelalters, der deutsche Name damals gefürchtet und geehrt, der deutsche Adel
durch ritterliche Sitten und durch Liebe zur Poesie ausgezeichnet, und in beidem wett-
eiferten Oesterreich und Steiermark mit dem übrigen Deutschland. Aber auch die Bür-
gerschaft rührte sich im Handel und Gewerb, kräftigte sich durch Einrichtung von Zünf-
ten und Führung von Waffen, erwarb sich wichtige Gerechtsame und fühlte sich bei
wachsender Zahl und blühendem Wohlstand stark genug, das Errungene hinter Mauern
und Thürmen zu vertheidigen. Selbst das Höchste, wonach ein bürgerliches Gemein-
Wesen im Mittelalter streben konnte, die Reichsfreiheit, wäre den Wienern beinahe zu
Theil geworden. Schon hatte Kaiser Friedrich Ii., der Hohenstaufe, sie damit beschenkt,
als mit dem plötzlichen Tode Herzog Friedrichs des Streitbaren (er fiel 1246 in der