1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Veränderungen an der Erdoberfläche.
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Orten ausbrachen, die vorher trocken waren. In Schottland flössen Seen über; der
Spiegel des Murtensees in der Schweiz senkte sich dagegen um 1 m. und verblieb seit-
dem so. Nicht so ausgedehnt war das Erdbeben in Calabrieu vom Jahr 1783, indes
nicht minder verheerend. Die Schauderscenen beim Einsturz der sicilischen Stadt
Messina sind in manchen Jugendschriften zu leseu, wohl 400 Dörfer und Städte
Calabriens wurden gleichzeitig und ebenso furchtbar davon betroffen; an 100000
Menschen kamen um. Wie vorhin von Portugal erwähnt ist, so eutstanden auch hier
Risse und Spaden im Boden, denen Schlamm entquoll, und an vielen Bergen (man
behauptet an 100) gewahrte man Rntsche und Abstürze; vom Grauitkern des Gebirgs
um Aspromoute war minder festes aufgelagertes Gestein herab geglitten, bei Scylla
ein großes Bergstück ins Meer gestürzt; man will an manchen Gipfeln eine springende
Bewegung bemerkt haben. Nach dem Erdbeben, das am 11. April 1871 die Stadt
Bathang im Innern Chinas*) zerstörte und in einem Umfang von 600 Kilometern
sich erstreckte, klafften an einigen Stellen steile Anhöhen auseinander oder waren in
tiefe Abgründe versunken, an andern hatten sich sanfte Erdwellen in jäh aufstrebende
Felsen verwandelt, Landstraßen waren dnrch Ueberschüttuug unbrauchbar gemacht. Bei
dem letzten großen Erdbeben in Kalifornien (April 1872) befand sich der Boden drei
Stunden lang in fortwährender Schwankung; während dieser Zeit erfolgten mehr als
300 Erdstöße. Es entstand ein 35 Mln. langer Erdriß, der sich an einigen Stellen
bis anf 13 m. erweiterte; große Felsblöcke rissen sich von den Gebirgen los und rollten
in die Thäler herab; an Tibbets Rancho sind 40 Acker Grundfläche 2*/3 m. tief unter
das Niveau des umliegenden Landes gesunken; Big-Avens-See ist seit dem 1. Stoße
um mehr als 1 m. gestiegen; der Avensflnß trat aus seinen Ufern und ließ eine große
Anzahl seiner Fische am Lande zurück; der Boden zu Lone Pine, dem Centralpunkte
der ganzen Naturerscheinung, zerbarst, die eine Seite blieb wie sie war, die andere sank
2—21/t m. tief, so daß eine Erdwand von mehr als 3 Meilen Länge entstand, wo
früher eine Ebene war; Kern und Avensfluß wandten sich und strömten einige Minuten
laug flußaufwärts, bald aber kehrte der Wasserschwall mit erneuter Heftigkeit zurück.
Die Erderschütterungen tragen also dazu bei, die Höhen der Länder zu erniedrigen;
die Thätigkeit der Kräfte im Boden fördert aber auch ihre Erhöhung, am angen-
scheinlichsten durch die Vulkane, sowohl durch deren oft umfangreiche Auswürfe, als
durch das Empordrängen vulkanischer Berge selbst. Der glühende Lavastrom des Vesuv,
der im Jahre 1794 Torre del Greco zerstörte, war 5700 ra. lang, gegen Ende 650m.
breit und 13 m. dick; wie sehr durch den letzten gewaltigen Ausbruch des Vesuvs
(26. April 1872) Berg und Umgegend verändert wurden, ist noch in frischer Erinne-
rung. Der Lavastrom des isländischen Hella vom Jahr 1845 hatte 3 Meilen Länge
und fast Va Meile Breite und über 25 in. Dicke. Größer noch war der des Skaptar
Jökul, gleichfalls auf Island, im Jahr 1783, er hatte bei 4 Meilen Länge über l1/«
Meile Breite und 33 m. Dicke. Die einzelnen Auswürfe der Vulkane anf der Insel
Hawai sind nicht gemessen; man kann sich aber eine Vorstellung davon machen, wenn
*) Hauptstadt der Prov. Kham, an einem Zuflüsse des Kinschakiang oder oberen
Jantsekiang.