1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Asien
— das Land.
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In allen Theilen Hochasiens, von der Süd- bis zur Nordflanke, finden sich zahl-
reiche Stellen, welche ans die frühere Existenz von Gebirgsseen hinweisen. Diese Seen
lagen (nach S chla gi n tw eit-Sa kü nlünski) entweder in Senkungen und Erweire-
nmgen der Flnßthäler und hatten dann ungeachtet großer Ausdehnung eine deutlich
mit den umgebendeu Kämmen congruente Richtung, oder sie füllten jene flachen und
breiten Thalstnfeu aus, welche hier, ähnlich wie in den Alpen, in manchen Thälern
mit steilen und engen Strecken wechseln. Die Erosion, d. i. die stetig fort-
schreitende Wirkung des Eiuschueidens der Flüsse — dieselbe Ursache, welche im ganzen
Hinmlaya-System die Wasserfälle verschwinden machte und sie in Stromschnellen verwan-
delte — hat die meisten dieser Seen entleert; und wo in Hochasieu jetzt noch Seen
vorkommen, sind es meist nur Reste von Becken, die durch Erosion ihres früheren
Wasserreichthums beraubt wurden. Da jetzt auch der atmosphärische Niederschlag ein
äußerst geringer ist, bringen die Umstände der Lage (gleiche Stärke der Insolation, ge-
ringer Luftdruck :c.) einen stetig überwiegenden Verlust durch Verdunsten hervor, so daß
nothwendig eiu Salz ig werden dieser Seenreste eintreten muß. Als eine Eigeuthüm-
lichkeit der Flüsse dieses Gebirgskomplexcs erwähnt der englische Reisende Shaw,
daß sie ihren Weg nicht sofort in die Ebene finden, sondern oft viele 100 Meilen weit
in Längeuthälern dahin fließen, bis sie endlich ihre Kraft zusammennehmen und durch
eine Spalte in der Gebirgsbarriere ans ihrem Gefängnis ausbrechen. Als auffälligstes
Beispiel führt er den Indus an, der hinter 5 Ketten des Himalaya nach Nw. läuft,
bevor er seinen Wendepunkt erreicht und, alle fünf durchbrechend, südwärts in die in-
dische Tiefebene hinaustritt. Jeder seiner 4 großen Zuflüsse, die mit ihm dem Pend-
schäb den Namen gegeben und die er in diesem weiten Bogen umschließt, ahmt in
kleinerem Maßstab das Beispiel uach und die Schluchten, in welchen sie die Bergketten
durchschneiden, bildeu die wildeste Sceuerie im Hinmlaya, Aehnliches findet sich in der
Ostseite Tibets beim Tsangbotschü; das Gleiche im nordwestlichen Theile des Massivs
bei den Flüssen, die zum Tarim strömen. Der Karakasch-Fluß z. B. (in dessen Nähe
am Fuße des Gebirgö Khotan oder Jltschi) fließt 20 Meilen längs der Südseite des
Küen-Lün, bevor er mit einer plötzlichen Wendung durch die Schlucht von Schädula
entkommt, und der Jarkiang (Jarkand-Flnß), der am Karakorüm-Passe entsteht, be-
schreibt einen großen Bogen hinterm nordwestlichen Theil desselben Küen-Lün, ehe er
sich nach Jarkand wendet; er beginnt mit einem fast westlichen Lanf und endet mit
einem langen östlichen in die Taua-Makän. Diese Gestalt des Landes bildet auch eine
Hauptschwierigkeit der Vereisung; denn man findet es leichter und kürzer, die Handels-
ronten quer über all die verschiedenen Ketten einzuschlagen, als die letzteren, den weit
umführenden Flußthälern folgend, zu nmgehen, Daher — abgesehen von politischen
n. a. Hindernissen, die den Reisenden bisher im Wege standen — ist Hochasien ein
noch verhältnismäßig wenig erforschtes Gebiet und die wissenschaftliche Literatur über
dasselbe ist noch sehr jungen Datums. — Betrachten wir die einzelnen Theile
etwas näher.
Die bekanntesten Theile Hochasiens sind die kolossalen Ketten und Bergreihen, die
unmittelbar über der Gangesebene sich aufbauen und die dem ganzen System den
Namen gegeben: Das Himälayagebirge.*) Vom Jndusdurchbruch bis zur Mün-
* » Hinmaya heißt (wie auch Alpen :e.) „Schneegebirge," Mus-Daah heißt wört-
lich „Eisberg". 3 p