1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
452 Asien — China.
Handel und 1 Mill. Einwohner. Als 1864 der kaiserliche Feldherr nach Besiegung der
Rebellen in die Stadt einzog, fand er nur noch einen Haufen von Trümmern.*) Bald
belebte sich indes der Verkehr wieder durch das Zuströmen zahlloser Beamten in die
große Provinzialhauptstadt, die schon wieder x/t Mill. Einwohner zählt. Die früher
so bedeuteude Seidenmanufaktur beginnt wieder aufzuleben und der Gouverneur thut
sein Möglichstes, um den Holzhandel wieder in Flor zu bringen, der früher der Stadt
zu ihrer Blüte verhalf. Letzterer hat sich jedoch wahrend des Darniederliegens der alten
Stadt nach dem Hafen Tschinkiang, weiter abwärts am Strome, gezogen. Nur
30 bis 45 Meilen südöstlich von Nanking liegen die volkreichen und durch europäischen
Handel belebten Häfen Schanghai (276000 E.) und Ningpo (400000 E.), und
zwischen beiden liegt an der gleichnamigen Bucht Hangtscheu mit 700000 Einw.;
65 Meilen weiter südlich, oberhalb der Mündung des Niaotuug-Kiaug, der Haupt-
stapel für schwarzeu Thee: Futschen mit 600000 Einw. Der Werth der 1870 allein
zu Schanghai mit Europa ausgetauschten Waaren betrug 2^/g Mill. Thaler. Von
Schanghai reist man nicht weit ins Innere auf einer Straße, wo fast Dorf an Dorf,
nach Sutscheu, eiuer Stadt von 2 Mill. Menschen, wo große Fabrik- und Handels-
thätigkeit; sie liegt malerisch schön, ist Lieblingsaufenthalt reicher Familien; alles geht
dort in Seide. — Vor Futscheu und dem noch weit südlicheren Hafen Amoy oder
Hiamen (250000 E.) liegt die große gebirgige Insel Formosa oder Thaiwan,
die Reis, Cokosnüsse, Tabak, Kampher, Schwefel und Kohlen erzeugt und ans der auch
die Theekultur eingeführt wurde; an der Küste wohnen Chinesen, im Innern halbwilde
Stämme. Die Insel, chinesischerseits als Deportationsplatz benützt, ist schlecht ver-
waltet, so daß die Unsitten des chinesischen Beamteuwesens hier ganz besonders über-
wuchern und es allenthalben von Piraten und Räubern wimmelt. An der Nordküste
Kelnng, — Kanton oder Kuang-Tschen, Hauptort im Süden am Tschnkiang
oder Perlfluß, der aus deu 3 Flüssen, Si-, Pe- und Tuugkiaug (West-, Nord- und
Ostfluß) besteht, bei Kautou schon V-t M. breit ist und sich mehrere Meilen unterhalb
der Stadt in eine 20 M. breite Bai ergießt. Die Hauptmündung heißt das Tiger-
thor. Kanton war lange Zeit der einzige den Fremden unter erschwerenden Be-
dingungen geöffnete Hafen; es ist wie in der Politik, so auch in Sachen des Luxus
und der Mode, für guten Geschmack und chinesischen von ton maßgebend, zugleich die
sittenloseste, frivolste, ausgelassenste und genußsüchtigste Stadt Chinas — das Paris des
himmlischen Reiches, an Vergnügungen und Unterhaltungen reicher als irgend eine
andere chinesische Stadt, selbst als Pe-King, wo der finstere, von aller Welt abge'
schlössen? Mandschnhof, von den Chinesen gefürchtet und verachtet, wie ein Alp auf die
Bevölkerung drückt. Einwohnerzahl 1,236000, deren viele (es heißt 200000) ans
Mangel an Platz auf dazu eingerichteten Schiffen und Flößen Hausen, eine Lebensart,
die sich auch im Mündnngslaude des Jantse und Hoangho vorfindet. Mit Ausnahme
einer Hügelreihe ist die Gegend umher eiue unabsehbare Ebene voll Reisfelder, vielfach
durchzogen von etwas höheren Baumwoll- und Zuckerpflanzungen, die mit Hecken von
*) Auch der gepriesene Porcellanthurm Nankings ist bei dieser Eroberung zerstört
worden; aus mehreren Stockwerken bestehend, war er 80 m. hoch, unten im Durch-
Messer 30 m. dick, und außen mit 152 Glocken und mehr als loo Lampen geschmückt.