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1. Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 479

1874 - Mainz : Kunze
Asien — Vorder-Jndien. 479 wo man sie bereits frei aufbaute. Zu den letzteren rechnet mau die prachtvolle Pagode zu D s cha g g arn a t auf der Küsteorissa, und die zu Tschillnmbron, Tandsch o c und Ramifferam auf Koromandel. Die bedeutendsten Denkmale der ersteren Art, und die unstreitig anf ein hohes Alter deuten, sind die Felsentempel anf den Jnselchen Sa l- sette und Elephante unweit Bombay, die Tempelgrotten zu Karli und Ellore im Dekan, letztere, sehr reich an Skulpturen, ein wahres Pantheon der indischen My- thologie, und die zum Theil ans Fels gehaueuekönigsstadt M ah aba lipur am (von den Schiffern die 7 Pagoden genannt) südlich von Madras auf Koromandel. Bei näherer Betrachtung dieser Werke muß man gestehen, daß die Kultur der Hindus eine eigentümliche, eine auf eignem Boden gewachsene war. Sie erscheint als der entschiedene Gegensatz von der gemüthlosen materiellen Bildung Chinas, und wenn sie im Hange zum Kolossalen und Symbolisirenden an die Aegypter erinnert, so über- bietet sie doch diese an poetischem Gehalte eben so sehr, als das einförmige von Wüsten beschränkte Nilthal dem indischen Naturreichthum nachsteht. Freilich mit der griechischen kann die geistige Kultur der Hindns, trotz ihrer künstlerischen und poetischen Fülle, nicht auf eine Linie gestellt werden, weder vor dem Richterstuhle der Aesthetik noch in Be- zug anf Vielseitigkeit. Auch ihre Poesie leidet an einer symbolisch-mystischen Uebersülle sowie an einer ermüdenden Breite im Erzählen und Schildern, und wenn ihre Epopöen auch weit größer und episodenreicher sind als die homerischen, so bieten dennoch die Charaktere, die sie darstellen, eine weit ärmere und minder ansprechende Verschiedenheit, als die Jlias und Odyssee. Und fragt man gar nach den wissenschaftlichen Gebieten der menschlichen Geistesthätigkeit, wünscht man die Philosophie der Hindns zu kennen, ihre Geschichtschreiber und Redner, so erfährt man init Verwundern, daß ihr Volks- leben seit Jahrtausenden keine Redner, keine Historiker geschaffen, und daß ihre Philo- fophie nie aus den Grenzen des Mystischen und Dogmatischen herausgeschritten ist. Die Ursache hievon ist leicht zu finden. Philosophie ist nur da möglich, wo sie die Dogmen nicht zu fürchten braucht; Redner, Politiker, Geschichtschreiber können sich nur da bilden, wo es freie Staatsbürger und öffentliches Leben gibt. Dies fand sich aber in Indien nicht. Das indische Volk, vorzugsweise mit Imagination und Gemüth begabt, entwickelte sich bloß unter priesterlicher Leitung, und nie hat wohl ein anderes Volk in allen bürgerlichen und Staatsformen, im Dichten und Denken ein so eigenthümliches und der eigentlichen Verstandesbildung so hinderliches Gepräge von seiner Priesterschaft erhalten, als die Inder. Hauptsächlich waren hierin wirksam: das Dogma von der Seelen wand ernng, und die Einführung des Kastenwesens. Letzteres besteht darin, daß jeder Mensch in dem Bildnngs- und Geschäftskreise desjenigen Standes bleiben muß. dem seine Familie herkömmlich und unabänderlich an- gehört. Wie in Alt-Aegypten gestaltete es sich sehr früh und noch strenger bei den Indern und hat Jahrtausende hindurch, geringe Aendernngen abgerechnet, bis anf den heutigen Tag sich erhalten. Noch jetzt bilden die Bramrn-Familien oder die Br aman e n, als bevorzugte Geschöpfe Bramas, ans dessen Haupt sie entstanden und als oberste Kaste, ein stolzes Geschlecht von Halbgöttern, die wahren Träger der Reli- gionsgeheimniffe und aller Wissenschaft; denn nur sie können Priester und Staatsbe- amte, Richter und Aerzte, Gelehrte (Pnndits) und Künstler werden und auch Handel treiben; man schätzt ihre Zahl auf 2 Millionen. Noch jetzt gibt es Ueberbleibfel von
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