1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
656
Europa —
Königreich Griechenland.
1) Das jetzige Königreich Griechenland.
Größe: 910 Q.-M. Einwohnerzahl: 1,458000. Bevölkerungsdichtigkeit: 1602 S.
auf 1 Q.-M.
Die Bewohner gehören mit geringen Ausnahmen zum griechisch-christ-
lichen Bekenntnisse und halten sich für die Abkömmlinge der Altgriechen,
sind aber durch verschiedene zahlreiche Einwanderungen während des Mittel-
alters stark mit anderen, namentlich auch slavischen Elementen vermischt,
obgleich die Sprache, vor allem die seit den Freiheitskriegen durch regeres
nationales Leben gepflegte Schriftsprache, ihr griechisches Gepräge bewahrt
hat. Namentlich glauben die Mainotten, Bergbewohner des Tayg^tus,
daß die Lacedämonier ihre Vorfahren gewesen. Ungefähr 7* Mill. Alba-
nesen, deren Vorfahren vor ein paar Jahrhunderten aus Epirus und
Jllyrien eingewandert, leben theilweise verbrüdert und vermischt mit den
Griechen, theils aber auch noch inselartig und unvermischt zwischen der
griechischen Bevölkerung (im nördl. Peloponnes, bei Athen) im Lande; die
jetzige sogenannte griechische Tracht soll albanischen Ursprungs sein. — Nur
einem kleinen Theil des von Griechen bewohnten Landes gelang es im Be-
sreiungskriege (1821—28), die türkische Herrschast abzuschütteln, und zwar
demjenigen Theile, der durch seine waldlosen, nackten Gebirge, durch seine
tobenden Sturzbäche, die zu anderer Jahreszeit wieder fast ganz eintrocknen,
durch seine steinigen Heiden und versnmpsten Flächen am wenigsten dazu
geeignet ist, die Grundlage eines lebensfähigen Staatswesens zu sein, wäh-
rend die nördlichen fruchtbareren Landschaften, sowie die Insel Kreta, bei
der Türkei verblieben; man spekulirt deshalb auf den Verfall des türkischen
Reiches, man träumt von Wiederaufrichtung einer großen byzantinischen
Macht. Dazu kommt, daß die hervorstechendsten Eigenschaften des National-
charakters der Neugriechen, einerseits allerdings Nationalstolz, Freiheits-und
Vaterlandsliebe, rascher Verstand und reges Gefühl fürs Schöne, anderseits
aber auch Vorliebe für Parteigetriebe und Jntriguenfpiel, Geldgier, Un-
redlichkeit und Verlogenheit, sowie Gleichgiltigkeit gegen höhere Bildung,
durchaus nicht dazu beitragen, die Hindernisse eines wahren Ausschwungs,
die in der gegenwärtigen Beschaffenheit von Grund und Boden liegen, zu
überwinden. Anfänglich Republik, wurde Griecheulaud 1832 ein Königreich,
zu dessen Herrscher der baierische Prinz Otto gewählt wurde; während
seiner 30 jährigen Regierung war es demselben, trotz des besten Willens,
jedoch nicht gelungen, der schwierigen Verhältnisse Herr zu werden. Das
unruhige, neuerungssüchtige Volk, welches an Otto die Erfüllung seiner
hochfliegenden Pläne geknüpft hatte, fah sich bald getäuscht in seinem sried-
liebenden Könige, der, wenig ehrgeizig und thatkräftig, seine Hauptaufgabe
darein setzte, in dem durch Parteiungen zerrütteten und in seinen Finanzen