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1. Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 662

1874 - Mainz : Kunze
662 Europa — die T ürkei. (Mollah ist ein Ehrentitel aller obern Richter. Scheich heißt soviel wie: Greis, Ehrwürdiger.) Behufs der Verwaltung ist die europäische Türkei — ohne die Schutzstaaten — in 11 Ejalets oder Generalgouvernements eingeteilt, die wieder in Liwas oder Provinzen (und diese in Kazas oder Distrikte) zerfallen. An der Spitze eines jeden Ejalets steht ein Mali oder Generalgouverneur als Chef der Verwaltung, der nach dem Firman vom Januar 1853 das Recht hat, die Gouverneure der Liwas, die Mudire der Distrikte, die Mitglieder der Gemeinderäthe, sowie alle Polizei- und Civil- beamten seines Gouvernements unter seiner Verantwortlichkeit ein- und abzusetzen. — Die Heeresmacht des Reiches — ohne die Contingente der fast souveränen Schutz- staaten Rumänien, Serbien, Aegypten :c. — wird gebildet: 1) durch dlls reguläre Heer oder den Nizam, bestehend aus Hauptcorps unter Muschirs, und diese aus Divi- sionen unter Feriks, 2) durch die Landwehr oder Rediss, zusammen etwa 200000 Mann; dazu kommen noch des Sultans Haustruppen (Garde) und 80 — 90000 Baschi-Bozuks oder irreguläre Truppen, Tataren der Dobrudscha :c. Sicher ist die Verteidigungsfähigkeit des Staates eine geringe, und die Festungen finden sich alle in vernachlässigtem Zustande, wohl keine einzige fähig, den vervollkommneten Geschützen der Gegenwart längere Zeit zu widerstehen. Für wissenschaftliche Bildung geschieht etwas in neuester Zeit, für Volksunterricht noch wenig, überhaupt steht die geistige Kultur im Türkenreiche auf einer ziemlich nie- deren Stufe; Mädchenschulen gibt es, wie überhaupt unter den Orientalen, noch nicht. Die Druckerei zu Konstantinopel wird immer wirksamer. Der Türk, unwissend und stolz, verachtete bisher die andern Nationen sammt ihrer Kultur, und betreibt noch immer nur eine bildende Knnst, die Architektur; Malerei wird zu Verzierungen und Arabesken angewandt, und die Musik ist nichts als ein rauschender Lärm. Was Ge- werbthätigkeit betrifft, so findet man in der Türkei gute Lederbereitung (Saffian, Kordnan), Färbereien mit türkisch Roth, Säbelfabriken und weniges sonst. — Das Schlagwort vom „kranken Mann", welches Zar Nikolans einst mit schlauer Berechnung in die Welt geworfen und welches seit dieser Zeit so oft gläubig und verständnislos nachgebetet wurde, ist uicht ohue alle Berechtigung: es ist unleugbar, die osmanifche Herrschaft geht ihrer Auflösung entgegen, die herrschende Rasse ist in einer Abnahme begriffen, welche sich durch nichts aufhalten läßt. Die Mehrzahl der europäischen Staaten — Rußland natürlich ausgenommen — hat indes an der Erhaltung de.t Türkei ein Interesse und wäre es auch nur, wie Fuad Pascha sich äußerte, die Bän- digung der Slavenstämme am Bosporus. Aber die Balkänhalbinsel zu reorgauisireu, dazu sind die Osmauen wohl nicht mehr fähig. Ein großer Theil dieser wahrhaft fruchtbaren Sendung muß dem großen Donanreiche — Oesterreich-Ungarn — zu- fallen». das aber diese Aufgabe natürlich nur dann erfüllen kann, wenn es, neben einem befriedigten, zum Rechtsstaat ausgebildeten Ungarn, geordnete Zustände in den Erb- länderu besitzt und sich im Innern auf freiheitlicher Basis genügend gekräftigt hat. Es ist das jene Politik, die der große Engen vor bald 2 Jahrhunderten nach dem Sieg von Z enta inauguriren wollte, als er seinen Zug ins Herz von Bosnien unter- nahm; sie mußte damals scheitern, weil das vom Blute der Eperieser Schlachtbank triefende Oesterreich und das in eigener Calamität befindliche Reich weder den Willen
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