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1. Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 667

1874 - Mainz : Kunze
Europa — die Türkei. 667 zwischen Save und Drau; seit es von den Türken geräumt ist, hat es auch in seinem Aussehen gewonnen; Bildungsanstalten, Nationalbibliothek. Kragujewaz iu der Mitte des Landes ist die alte Hauptstadt und der Hauptwaffenplatz für die ser- bische Armee. b) Rumänien (Walachei und Moldau) 2197 Q. M. und 4'/» Mill. Einw.^ nördlich der untern Donau, Getreide- und Wiesenländer, vor alters von Daciern be- wohnt, die in 172 Jahrhunderten ziemlich romanisirt wurden, und noch jetzt halb lateinisch trotz der Vermischung mit Slaven und byzantinischen Griechen (S. S. 268). Seit geraumer Zeit hatte jedes dieser beiden Länder einen Hospodar oder Herrn, den die Bojaren wählten und der Sultan bestätigte; die Hospodare hatten an die hohe Pforte Tribut zu zahlen. Als Bekenner der griechischen Kirche stand das Volk den Russen nicht zu fern. Um so leichter konnte sich der Zar in die Hospodarwahl ein- mischen und zuletzt den Ausschlag dabei geben. Die Zeit schien nahe, wo beide Länder russisch werden könnten. Die Niederlagen in der Krim haben dies vereitelt. Durch eine Revolution wurden beide Länder (entgegen den Bestimmungen der Convention von 1856) in ein Fürstenthum, und zwar ein erbliches vereinigt; der Fürst hat nur vomsultsn die Investitur einzuholen, einen geringen Tribut zu leisten und steht in einer Abhängigkeit weiter. Eine neue Revolution rief (1867) den Fürsten Karl von Hohenzollern als Herrscher ins Land, der sich bis jetzt vergebens abmüht, in die zer- fahrenen und verkommenen Zustände Ordnung zu bringen. Die bürgerlichen Verhält- nisse sind erbärmlich, die Bauern in tiefer Armuth und Verkommenheit, obgleich nicht ohne politische Rechte; die Schulbildung ist nicht besser als in den meisten Provinzen des Türkenreiches (etwa 8°/v können lesen oder schreiben). Die 5500 Familien der Bojaren und außerdem noch ein zahlreicher niedrer Adel (der 28. Mensch ist ein „Herr von") stellen die Nation vor. Bojaren (van boier.-Herr, Besitzer) und Klerus sind steuerfrei. Es gibt 150000 Zigeuner im Lande. Daß die Straßen der Städte überhäuft sind von Schmutz, kümmert die Palastbewohner wenig, in Bukarest sind 12000 Equipagen, 40000 Luxuspferde, glänzende Läden mit Modewaaren und Delikatessen, aber die meisten Häuser sind Hütten; nirgends durchdringen sich „Putz und Schmutz" so sehr, als in walachischen Städten. Die Bojaren, von dem Firniß französischer Politnr bedeckt, der aber fortwährend von der Roheit durchbrochen wird, saugen ihre ganze politische und sociale Weisheit ans den seichtesten französischen Geistesprodukten, die auf die hohlen, jedes Verständnisses baren Walachenköpfe wie Branntwein wirken; Kenner der Verhältnisse behaupten: solchen Grad von Nichtsnutzigkeit und Faulheit, wie er bei den Bojaren zu finden, halte nur der für möglich, der ihn mit eigenen Augen gesehen. Den Bauern, durch Jahrhunderte währende Leibeigenschaft nahezu verthiert, fehlt jeglicher Begriff für Gemeinde und Staat, und in Europa werden kaum Völkerschichten zu finden sein, die in Trägheit, in Mangel an Betriebsamkeit, Willenskraft und Menschenbewußtsein den rumänischen Bauern noch übertreffen. Ein Mittelstand, ein eigentlicher Bürgerstaud, der dem Staatswesen aus dem ärgsten Wirrsal heraushelfen könnte, fehlt oder wird wenigstens durch den vom Nationalitätsprincip genährten Hochmnth niedergehalten. Die Rechtspflege ist fchmach- voll. Und dieser Scheinstaat, ein Hohn auf jedes gesunde Völkerleben, besitzt eine Autonomie und eine Verfassung, die den freiheitlichsten Constitutionen der entwickeltsten abendländischen Völker nachgebildet ist! Und dieses mitleiderregende Völker-Mischmasch
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