1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa — Deutsches Reich.
kerwelle nach dem Osten fort: kräftig, unaufhaltsam vollzog es sich bis jetzt
im Norden, so daß, abgesehen von den Polen, nur noch ganz schwache Reste
von Slaven innerhalb des Deutschen Reiches sich finden, die offenbar alle
im Verschwinden begriffen sind (s. u. Statistisches); langsamer, unsicherer,
nur stückweise ging diese Zurückgewinnung deutschen Bodens im Süden
von statten, ja hier bilden die Tschechen und Mähren heute noch nahe dem
Herzen Deutschlands eine kompakte Masse von 41/» Mill. (S. 101 und 259),
und sie sind zugleich derjenige Slavenstamm in deutschen Landen, der es
auch nach seiner Verbindung mit dem alten Deutschen Reiche noch zu einer selb-
ständigen Blüte gebracht hat („die Germanen der Slaven"), namentlich als
das Land von den Luxemburgern regiert wurde.
Nachdem das Reich der deutschen Franken, in welchem Völker verschie-
dener Nationalität und Völkerschaften verschiedenen Stammes zu einer
politischen Staatsform verbunden waren, unter Karl dem Großen den Höhe-
Punkt feiner Macht erreicht hatte, zerfiel es bald nachher durch die Schwäche
von Karls Nachfolgern und durch die trennende Kraft der Nationalitäten
(Verträge von Verdun und Mersen) in eine romanische (gemischte) und in
eine rein deutsche Hälfte; aus jener entwickelte sich als Hauptmacht das
französische, aus dieser das Deutsche Königthum. Das deutsche König-
reich umfaßte die Länder zwischen Argonnen und Böhmerwald, Nordsee und
Alpen, und mußte, wie erwähnt, die ursprünglich deutschen Landstriche öst-
lich der Saale den eingewanderten Wenden erst wieder abgewinnen. Beide
Königreiche gestalteten sich allmählich auf ganz verschiedene Weise: während
sich mehrere von unseren Königen zu ihrer eigenen heimischen Krone nach
Karls d. Gr. Beispiel zu Rom noch eine kaiserliche holten, blieb Frank-
reich bloß königlich; und während bei den Franzosen das Königthnm völlig
erblich war, wurde unser Königthum ein Wahlreich, und bald kam es so,
daß, wer gewählt sein wollte, seinen Wählern Zugeständnisse machen mußte.
Städte gab es im Anfange dieser Periode nur wenige, fast nur als Reste
aus der Römerzeit an Rhein und Donau, und die Ackerkultur war anfangs
auch nur gering. Eine große Zahl von Nachkommen alter freier Deutschen
hatte sich durch verschiedene Umstände in Hörige verwandelt und noch
gab es keine Bürgerschaft als Mittelglied zwischen der Masse Unfreier
und den Vasallen mit ihren Dienstleuten. Sehr wichtig ist es, die
Entwickelung des Lehn-oder Feudalsystems zu kennen, aber auch den Be-
ginn und das Wachsthnm des neuen Bürgerthums, das mit und in den
Städten entstand. Herrliche Herrschergestalten ziehen dabei nnsern Blick auf
sich, wie Heinrich der Finkler, Otto der Große, Konrad der Salier und sein
Sohn Heinrich Iii., einige der Hohenstaufen. Nicht nur über Deutschland
mit Lothringen, sondern auch über Burgund (Arelat), Ober- und Mittelitalien,