1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Deutsches Reich — Geschichtlicher Ueberblick. 783
Polen und Böhmen, und für kurze Zeit auch über Ungarn und Süditalien,
geboten die deutschen Könige. Aber nur wenige Jahrhunderte dauerte die
eigentliche Glanzzeit des Kaiserthums. Man mag es bedauern, daß die
großen Kaiser sich in Italien nicht nur Ruhm und Ehren, sondern gar
häufig auch den Tod holten und daß sie die beste Kraft Deutschlands dort-
hin führten; sicher hatte doch auch die damit errungene und durch drei Jahr-
hunderte, allerdings unter „unsäglichem Weh", behauptete Universalherr-
schaft des deutschen Volkes für die Kultur, Gesittung und geschichtliche
Größe des Vaterlandes die wohltätigsten Folgen. Aber das war offenbar
ein Unglück, daß die Dynastien so oft ausstarben, und daß die tüchtigen
Kaiser oft nur kurz, die weniger tüchtigen häufig lange regierten. Still-
stand allerdings erblickt man in jenen Zeiten nirgend, weder in den
Waffen, noch in den Einrichtungen des Staates, noch in der geistigen Welt.
Fortdauernde Veränderung und Entwickelung, fortdauerndes Streben nach
Rechten. Das Ritterthum gestaltet sich in der Klasse der Lehnsträger,
Zünfte und Bürgerrecht hinter städtischen Mauern; uyd wie Grafen
und Herzöge nach Erblichkeit der Würden, so ringt der Klerus nach
größerer Macht, und im Klerus selbst hebt sich die monarchische Gewalt
des Pabstes empor, die zuletzt die weltliche Hoheit zu übersteigen sucht.
Merkwürdig und reichhaltig, doch von schlimmen politischen Folgen für
Deutschland sind deshalb besonders die zwei Jahrhunderte, von 1073, wo Kaiser
Heinrich Iv. mit seinen Fürsten in Streit geräth und zugleich Gregor Vii.
den Stuhl Petri besteigt, bis 1273, wo Rudolf von Habsburg erwählt
wird. Man kann sie das Zeitalter der Hohenstaufen (Waibliuger),
oder der Kreuzzüge, oder der Vollendung des hierarchischen
Systems, oder Blütezeit des Ritterthnms, der ritterlichen und
Minnepoesie und derkirchenbaukuust, oder auch deswachsthums
städtischer Freiheit nennen. Leider verlor das Kaiserthum, obwohl
zwei ausgezeichnete Männer, Friedrich Rothbart und der geistreiche Fried-
rich Ii. das Scepter führten, zuletzt an Macht und Würde; denn während
seines zwiefachen Kampfes mit der Hierarchie und den freien Städten
Italiens machten sich die Großen des Reiches aus Vasallen und Oberbe-
amten zu wirklich regierenden Fürsten, und mehrere bischöfliche und könig-
liche Städte erlangten Reichsfreiheit. 1232 mußte Friedrich Ii. jenen
die fchon faktifchelandeshoheit auch staatsgesetzlich zusichern, und 1226
war unter andern schon Lübeck, 1229 auch Frankfurt völlig freie Reichsstadt.
Kleinlicher wird nunmehr mit dem Ende des 13. Jahrhunderts die
Geschichte Deutschlands. Das Verhältnis zwischen dem deutsch-römischen
Kaiserthum und der übrigen abendländischen Welt ist ein ganz anderes ge-
worden; keine Kaiser gleich den genannten, stehen mehr an der Spitze. Wer