1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa — Deutsches Reich.
urtter den Fürsten das königliche Scepter erhält, sorgt fortan mehr für sein
Haus als für das Reich. Selbst ein Rudolf von Habsburg, ein Ludwig
von Baiern, ein Max I. von Oesterreich sind zu schwach, um wirklich Könige
eines Reiches zu sein, worin die buntverschlungene Menge von geistlichen
und weltlichen Reichsständen zu keiner Einigkeit, zu keiner großen Unter-
nehmung zu bringen war. Wenn man von dieser Seite nichts Erfreuliches
sieht, so gewährt doch der Blick auf die innern Bewegungen der kleinen
deutschen Staatenwelt manchfaches Interesse. Die Bürgerkraft ringt
mit der ritterlichen, und ihre Erfolge sind die einzigen Lichtblicke in
dieser Periode unserer Geschichte. Die Hansa im Norden, die schweizerische
Eidgenossenschaft im Süden tragen den Preis der Selbständigkeit und
des Muthes davon. Gewerbe und Handel blühen im 14. und 15. Jahrh.
wie nie zuvor. Der Wohlstand der Städte begünstigt außer der Kunst
auch die Wissenschaft; der Geist des Forschens beginnt sich stärker zu
regen, und Erfindungen von hoher Wichtigkeit, vor allen die der Buch-
druckerkunst.(1436), gereichen den Deutschen zur Ehre. Das Feudal-
system wird zuletzt wie durch den Bürgerstand so durch die Artillerie, das
Uebergewicht des Klerus aber durch Verbreitung der Studien des
griechisch-römischen Alterthums erschüttert; doch jeglicher Körperschaft, Adel,
Klerus und Bürgerthum, droht zuletzt die wachsende Fürstenmacht mit
überwiegender Herrschaft. Stehende Heere kommen aus. So nimmt der
Geist des Mittelalters allmählich eine andere Farbe, eine andere Richtung an.
Um so mächtiger und durchgreifender erscheint deshalb im 16. Jahrh.
ein neuer Versuch der Kirchenreform. Schon früher im 13. Jahrhun-
dert war ein solcher gemacht, aber mit unmenschlicher Grausamkeit unter-
drückt worden. Im 15. Jahrhundert erging der Ruf nach einer Reform
der Kirche an Haupt und Gliedern laut und eindringlich nicht nur
durch Deutschland, sondern durchs ganze Abendland, nicht nur vonseiten
weltlicher Fürsten, sondern auch vonseiten hochgestellter Kleriker: jedoch die
reformatorischen Eoncilien zu Pisa, Kostnitz und Basel richteten nichts aus,
als daß sie das päbstliche Schisma beseitigten und die Macht des Pabst-
thums neu festigten, während die als so dringend nothwendig empfundene
Entmängelung nicht zu erreichen nar, die kirchlich-politischen Reformpläne
unseres Kaisers Sigismund uudurch geführt blieben. Der Reformationsversuch
des 16. Jahrh. aber konnte nicht wieder abgewiesen und unterdrückt werden:
er ging vom Volke selbst aus und fand so begeisterten Wiederhall in den
Herzen der Völker, daß nicht nur die deutsche, sondern (vielleicht mit Aus-
nähme der spanischen) alle abendländischen Nationen ihm zugefallen wären,
hätte sich nicht vielerorts, besonders nach Gründung des Jesuitenordens,
Fürsten- und Priestermacht mit. Schwert und Scheiterhaufen dagegenge-