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1. Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 785

1874 - Mainz : Kunze
Deutsches Reich — Geschichtlicher Ueberblick. 785 stemmt. Ein großer Kaiser, wie etwa der Hohenstaufe Friedrich Ii., der von seinen Zeitgenossen unverstanden geblieben, weil er seiner Zeit um zwei Jahrh. voraus war, hätte bloß durch Benutzung des Zeitgeistes ein wahr- Haftes deutsches Reich nun gründen können. Allein Karl V., dem nur sein gewaltiger Länderbesitz (Niederlande, Spanien und die amerikanischen Neben- länder, Neapel mit Sizilien, Oesterreich mit Ungarn und Böhmen) und die Kaiserkrone äußere Größe verlieh, war nicht dazu geschaffen; durch Er- ziehuug und Charakter mehr Wälscher als Deutscher, unbekannt mit den deutschen Verhältnissen, konnte er den Geist und die Bedürfnisse des deut- schen Volkes nicht verstehen. In seinem Streben nach Weltherrschaft glaubte er die Kirche und die kirchliche Bewegung als Mittel zur Erreichung poli- tischer Ziele benützen zu müssen, und wechselnd, wie die politischen Ver- Hältnisse, war deshalb auch sein Verhalten zur deutschen Reformation. So wurde Deutschland unter ihm der Tummelplatz religiöser Leidenschaften und blutiger Kämpfe; und wie der Kaiser selbst die Reformideen schließlich mit spanischen Truppen bestritt, so glaubten auch die Fürsten das Recht zu haben, ihre Völker zu ihrem eigenen Glaubensbekenntnis nöthigen zu können („cujus regio ejus religio"). Da der Kaiser sich dagegen erklärte, so wurde die Reformation von der Mehrzahl der Fürsten durchgeführt und zwar auf Kosten der Reichseinheit. Vom politischen Standpunkte aus ist es sicher tief zu bedauern, daß die Idee der Reformation nicht vollständig durchdrang und deshalb die Re- formationsbewegung nicht mit einer Einigung des deutschen Volkes abschloß, da einerseits das politische Interesse mancher deutschen Fürsten, anderseits die unheilvolle, aber erfolgreiche antireformatorische Thätigkeit der Jesuiten an vielen deutschen Fürstenhöfen dies zu hindern die Mittel fanden. Vergebens verglich man sich zu Augsburg 1555. Alles blieb voll Argwohn und theo- logischem Hader, bis endlich, durch des jesuitisch erzogenen Kaisers Ferdi- nands Ii. Bigotterie und Herrschsucht entzündet, der fürchterliche 30 jährig e Krieg ausbrach, der schließlich in einen wilden Eroberungskrieg ausartete, den Ausländer auf deutschem Boden und um deutsche Länder kämpften und der Deutschland in materieller und geistiger Beziehung um mehr als zwei Jahr- hunderte zurückwarf. Der westfälische Friede beruhigte zwar endlich die Parteien und fetzte ihre Rechte fest, das hohe Gut der Gewissens frei- heit war zwar gerettet — aber um welchen Preis! Die Schweiz und Holland wurden für immer vom Reiche getrennt, Schweden behielt mit Pommern das Mündungsgebiet der Oder, dazu noch Wismar und die Mündungsgebiete der Elbe und Weser, beherrschte also den ganzen Nor- den Deutschlands, Frankreich drang bis an den Oberrhein vor, in- dem es die österreichische Landgrasschaft Elfaß erhielt und die lothringischen
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