1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Europa —
Schweiz.
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Freiheit und Geschichte, so die Wiege der schweizerischen Literatur und
Geistesbildung; die Republick kann existiren wie mit, so ohne romanische
Zuthat, aber ohne den deutschen Stammhalt würden nur etliche französisch
oder italienisch redende Cantone übrig bleiben.
Die Schweiz umfaßt das Mittelgebiet der Alpen, welche es zum höchsten
Lande Europas machen: sie ist kein durch bestimmte Naturgrenzen abge-
fchlossenes Ganze, im Gegentheil, ihr Haupttheil, das Gebiet des Hoch-
^Heines, gehört in natürlicher Beziehung, wie hinsichtlich des Volksthums
zu Deutschland und das alte deutsche Reich hat eben, indem es im west-
Mischen Frieden die vereinigten Schweizercantone aus seiner Oberhoheit
entließ, auf seine feste und sichere Naturgrenze und die wichtigsten Alpen-
Pässe nach Italien hin, also auf seine natürliche Bergfestung verzichtet. Der
Gebirgsknoten des Gotthard bildet für das Gebirgs- und Gewässersystem
der Schweiz einen Mittel- und Ausgangspunkt! eine Linie von der Nord-
westecke bei Basel gegen diesen Punkt scheidet die Ost- und Westschweiz.
Von ihm aus ziehen in der Streichungslinie von Nordost nach Südwest
die beiden Hanptthäler der Schweiz, nämlich die des Rheines und der
Rhone, beide im ganzen und im einzelnen überraschende Ähnlichkeiten
zeigend, auf der Südseite eingefaßt von der Uralpenzone der rhätischen,
lepontinischen und penninischen Kette, auf der Nordseite von den
größtentheils aus Kalk aufgebauten Tödi-, Urner und Berner Alpen. Der
Rhein macht sein Knie bei Chur, um nordwärts zum Bodensee, die Rhone
bei Martinach, um gleichfalls nordwärts zum Genfer See zu fließen. So ist
die Schweiz das Quellgebiet für große Ströme, welche den Ländern ange-
hören, deren Grenzland sie bildet: für Rhein (Deutschland), Rhone (Frank-
reich), Po (Italien) und Jnn-Donau (Oesterreich). Das Quellgebiet des
Rheines gehört ihr (mit Ausnahme der östlichsten Zuflüsse) ganz an, das
der Rhone zum Theil, zu Po und Donau sendet sie nur wenig Gewässer.
Mit dem Antheil, den sie an jenen Stromgebieten hat, steht im allgemeinen
die Stammverschiedenheit ihrer Bewohner und deren Zahlenverhältnisse im
Einklänge — die Flußthäler waren eben den nach dem Sturze der Römer-
Herrschast in die Hochalpen eindringenden germanischen Völkerschaften
Führer: die Allemanen drangen durchs offene Rheinthal vor, die Burgunder
durch das der Rhone, die Markmannen und Gothen (Bajuvaren) kamen
von der Donauseite. Wie der größte Theil der Schweiz dem Rheingebiete
angehört, so ist denn auch dies ganze Quellland des Rheines, sowie das
Rhonethal im obern Wallis und der größere Theil des Jnnthales
im Engadin von Deutschen bewohnt. Eine Art Naturgrenze für die
Schweiz bilden die Läuteruugsbeckeu der in offenen Stromthälern das
Land verlassenden Flüsse: Boden-, Langen- und Genfer See: außerdem
ist sie von Italien durch höchste Theile der Central-Alpen geschieden. Die