1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Europa —
Schweiz.
889
60000 Menschen, setzt l7/io Mill. Spindeln in Bewegung und ergibt einen Produk-
tionswerth von ca. 40 Mill. Thlr. Ihr schließt sich in Appenzell und St. Gallen
die Weißstickerei und Mo usseliusabrikation an. Zu den Spinnereien und
Webereien kommen noch die Anstalten zum Färben, Bleichen, Zeugdrucken u. s. w.
— Auch das Stroh flechten, dessen Export auf 3^/s Mill. Thlr. angegeben wird,
nimmt viele Hände in Anspruch; man verbindet dabei mit dem Roggenstroh Mauilla,
Hanf, Roßhaar, Seide und Basthalm. Einer der Mittelpunkte des Geschäfts ist Wohlen
im Aargan. — Wichtiger ist die Seidenmanufaktur, die in den letzteren Iahrzenten
überaus bedeutend geworden. Im Laude selbst, d. h. in warmen Thäleru, prodncirt
man Seide, doch höchstens für 2/5 Mill. Thlr., während der Werth der im Lande ver-
arbeiteten Rohseide auf 15 Mill. Thlr. angegeben wird; es muß deshalb, wie die
Baumwolle und wie das Metall zu deu Uhren, so auch größtentheils die rohe Seide
vom Auslande her bezogen werden, und doch ist der Gewinn außerordentlich. Denn
der Werth der Seidenfabrikate wird auf 56 Mill. Thlr. angegeben; 40000 Personen
sind dabei beschäftigt. Zürich (für Stoffe) und Basel (für Bänder) sind vorzüglich da-
bei betheiligt. — Die Holzschnitzerei in den Gebirgen, z. B. zu Brieuz im Ber-
ner Oberland, gehört mit zur schweizerischen Industrie; und wie vieles wäre sonst noch
aufzuzählen! Die Pianos und Dampfmaschinen Zürichs, die feinen Aarauer Reiß-
zeuge u. f. w.
Der Verkehr im Innern und nach außen hält natürlich mit der gewerb-
lichen Thätigkeit gleichen Schritt; darum war er vor 30 Jahren nicht halb so umfang-
reich als jetzt. Die kleine Schweiz, mehrentheils gebirgig, ohne schiffbare Ströme —
denn der Rhein wird erst in Deutschland zu einer Handelsstraße — fern von der See,
und umgeben von den Zollstätten mächtiger Nachbarländer, hat sich Absatzwege überall
bis in ferne Weltgegenden zu verschaffen gewußt. Im Verhältnis ihrer Bevölkerung
nimmt sie unter deu handeltreibenden Staaten einen hervorragenden Platz ein.
Die jährliche Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse hat einen Werth von Iii Mill. Thlr.,
die Waareneinsuhr zum Verbrauche von 122 Mill. Das Straßennetz, mit so großen
Schwierigkeiten seine Erstellung auch zu kämpfen, ist nicht nur in der „ebenen Schweiz"
sondern auch im Berglaude durchaus befriedigend. Die Telegraphenverwaltung ging
anderen Staaten mit dem Beispiel eines niedrigen Tarifs voran. Auf allen bedeuten-
den Seen ist ein lebhafter Dampfschiffahrtsverkehr. Die Hauptlinie des Bahnsystems
verbindet, zwischen Boden- und Genfer See, die deutschen und südfranzösischen Bahnen
und hat im No. und Sw. sogar Parallellinien; diese Läugenrichtuug wird von meh-
reren Querlinien gekreuzt, die theils (in Basel, Waldshut, Schaffhausen) an die deutsch-
rheinischen Bahnen anknüpfen, theils (durch die Flußthäler der Rhone, der Aar, der
Reuß, des Rheins) zu den Hochalpenpässen des Simplon, Gotthard und Splügen an-
streben. Von diesen Alpenbahnen hat zunächst die Linie über den Gotthard Ans-
sicht auf Verwirklichung; in gerader Linie zwischen Hambnrg-Bremen und Genua, in
der Mitte zwischen Brenner und Mont-Cenis gelegen, wird sie, vollendet, namentlich
auch dem Handel Deutschlands zu großer Förderung gereichen (S. S. 167). Und
welch riesigen Aufwand von Kunst und Geld muß der Bau so vieler Bahnen in einem
Hochlande, wie die Schweiz, erfordern!
Die Schweiz genießt einer vollständigen Gewerbe- und Handelsfreiheit.
Schacht, Lehrb. d. Geographie 8. Aufl. 57