1874 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor, Rohmeder, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Amerika — das Land. 1005
ihr Klima im Gegensatze mit ihrer Entfernung vom Aequator stehen muß. Wichtiger
noch ist es, daß ostwärts der großen Gebirge in beiden Continenten sich ein ungeheures
Flachland ausdehnt, und erst in weiter Ferne des Ostens, als wären dort gegen den
atlantischen Ocean, falls er einmal sich aufbäumen und die flacheren Uferlande über-
fluten sollte, besondere Vorwerke noth, wiederum Bergzüge aufragen, die Alleghanies,
die brasilischen Sierren :c. Jenes ungeheure Flachland ist zugleich im Nord-
wie im Südcontinente ein Tiefland, und zwar keine Sahara, sondern voll
zahlloser und wasserreicher Ströme, folglich zu benutzen, und mit geringen Ausnahmen
bewohnbar, nur daß heißes und gemäßigtes Klima beträchtliche Unterschiede machen.
Großentheils nndnrchforscht ist die 40 bis 50000 Q.-M. haltende Ebene des Marannon-
Stromgebiets, an den Flüssen voll üppiger Vegetation und großer Wälder, und des-
halb die Selvas (oder Bos ques) genannt. Daneben, zwischen dem Guayana-
Gebirg und der nordöstlichen Andeskette, breiten sich die Llanos (vom latent, planus)
oder baumleeren Ebenen ans, wo im größten Theile des Jahres das organische Leben
verschwunden scheint, und der öde Boden vor Dürre zerbirst, doch mit Beginn der
Regenzeit sich alles rasch mit dem saftigsten Grün überzieht. Einen andern Charakter
haben die Pampas im Gebiete des Paraguay und Paranä, wo der salzhaltige
Sandboden Nahrung fürs Vieh liefert, asiatischen Steppen gleich, doch nur mit
kleinen Einöden. Sie erstrecken sich, nach S. hin immer pflanzenärmer werdend,
bis an die Magalhaensstraße. Die größten Pampas trifft man am obern Sa-
lado, am patagonischen Flusse Colorado und besonders zum La Plata hin —
Gegenden, wo das europäische Ri ndvieh sich ins Ungeheure vermehrt hat. Die nord-
amerikanischen Savannen des weiten Missourigebiets, und die Prairies, wie man
die leichter in Ackerfelder umzuschaffenden, mit Urwald abwechselnden Grasebenen am
Ohio, Mississippi und Missouri nennt — das ganze Illinois kann so ziemlich als
deren Typus gelten — sind in ihrer grenzenlos scheinenden Ausdehnung einem grünen
Meere vergleichbar, durchschwärmt vom einheimischen Bisambüffel, wie vom europäischen
wildgewordenen Rindvieh; nur weiter westlich, besonders zwischen dem Rothfluß (red
river) der in den Mississippi, und dem Platte, der in den Missouri fällt, steigen sie
allmählich in ungeheure, meistens quellenarme und (mit Ausnahme der Flußufer) ab-
solut baumlose Sandflächen (the plains oder „die Ebenen" genannt) auf, die nur an
den Flüssen von Streifen anbaufähigen Landes durchzogen werden.
Das Tiefland Nordamerikas erstreckt sich aber noch weiter, als bloß über
das Stromgebiet des Missouri. Jenseit der schwachen Wasserscheide, womit dieses im
Norden eingefaßt ist, liegt es breit bis zum Eismeere hin, und noch dazu mit so un-
merklicher Absenkung, daß es von einer Menge Seen bedeckt ist, und die Flüsse in diesem
ungeheuren Räume nicht, wie die sibirischen, eine bestimmte Richtung haben, sondern
fast umherirren und häusig einen See an den andern fetten.*) Das Bereisen jener
sonst unbehaglichen Länder wird dadurch natürlich erleichtert, da auch die Zwischenräume,
* Die Wasserscheiden liegen manchmal in den Seen selbst, wie z. B. der Hirsch-
see (Deer Lake) Wasser zum Mackenzie und zum Churchill oder Missinipvi
i. h. Vater der Seen) sendet.