1914 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Reinhard, Rudolf, Seydlitz, Ernst von, Friedrich, E., Clauß, O.
- Hrsg.: Oehlmann, Ernst
- Auflagennummer (WdK): 26
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Jnner-Hochasien: Übersicht.
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Teil schon bei 6000 m Höhe anheben. In seinem Karagaidasch, d. i. Steinerner Wald, benannten
Teile eine merkwürdige Menge von zerschnittenen Kämmen, Zacken, Zinnen, Pfeilern, die durch die
ausnagende Tätigkeit der Gletscher zerrissen worden sind. Am Südfuße der himmelhohen Kette die durch
ihre Tiefe von —130m überraschende Senke des Bodschaite-Sees bei Turfala.
2. Ter wohl ebenso hohe, aber noch längere Kuenlun bildet mit seinen ö. Fortsetzungen, dem
Altyntag und dem mehrere Ketten zu einem Namen sammelnden Nanschan, die Achse Asiens
und entsendet mehrere Verzweigungen nach Tibet, das sich s. von ihm ausdehnt. Noch weiter
nach O. folgt in China der Tsinlingschan, der die Gebiete des Gelben und des Blauen Stromes
trennt.
3. Die s. ist die Mustagh-Kette (oder der Karakorum, Karakoräm), dicht an den Hima-
laja gedrängt und ganz dessen Faltensystem angegliedert, mit dem K 2 oder Godwin Austen?,
dem zweithöchsten gemessenen Gipfel der Erde (früher Dapsang genannt), 8610 m. Zwar kommt
die durchschnittliche Gipfelhöhe der des Himalaja nicht ganz gleich, trotzdem sind die meisten Pässe
höher als 5500 m, der Kamm mißt sogar 7300 m.
Im W. scharen sich diese Ketten zusammen zu einem eigenartigen Hochlande. Es erhebt
sich hier mit nackten Gebirgen und dazwischenliegenden breiten Hochebenen das hufeisenförmige
Pamir-Hochland oder auch „das Dach der Welt" mit 4000—5000 m im Mittel so hoch, daß dort
weder Getreide noch Bäume gedeihen und nur im Süden und in den Tälern Gras wächst und
hier auch dauerndes Bewohnen möglich ist. An die S.w.-Ecke dieses Hochlandes schließt sich
jenseits des Baroghil-Passes (3800 m) in Afghanistan und wahrscheinlich in der Achse des Kuenlun
der Hinduküsch da, wo der Riesenleib des Asiatischen Hochlandes gerade vor der Mitte halsartig
eingeschnürt ist.
Das Pamir ist der Brennpunkt, von dem die mächtigen Gebirgszüge und die großen Flüsse Jnner-
asiens auslaufen. Die Landschaft erscheint wie ein ungeheurer Haufen von Kies und Steinen, der
sich nach W. abdacht. Wie in allen Ländern, die so weit in den Himmelsraum gehoben sind, setzt auch
hier die Temperatur sprunghaft um. So konnten im August, dem kurzen Sommermonat, nahe vor
Sonnenuntergang + 24, wenige Stunden nachher —10° beobachtet werden. — Der weitaus größere w.
Teil gehört den Russen, die Ostkette den Chinesen, im S. reichen Afghanistan und Britisch-Jndien an
seine Höhen, und auf einer Strecke im S.o. berühren sich die russische und die britische Grenze auf
200 km; hierhin führt die britische Militärstraße von Kaschmir. Die Pässe des Hochlandes sind aber für
kriegerische Unternehmungen nicht zu benutzen. Der n.w. Ausläufer des n. Pamir ist die Peters
des Großen-Kette, 200üm lang, bis 7600m hoch; mauerartig steile Felswände, gekrönt mit Schnee-
feldern, in den Schluchten blaue Gletscher. In der ö. Randkette der Mustagh-ata, d.i. Vater der
Eisberge (7860m), den Hedin viermal vergebens zu ersteigen versucht hat. Der Große Kara-kul,
d. i. Schwarzer See, auf der Hochebene, 3780 m hoch, schwindet reißend und bietet in dem rauhen,
zernagten Trümmerfelde, das fast jedes organischen Lebens entbehrt, das Bild einer absterbenden Natur.
Diese Schneeketten samt den Randgebirgen gliedern den w. Teil Hochasiens in drei Teile,
die in Stufen ansteigen: die Dsungarei, Ost-Turkestan und Tibet, dazu tritt als n.ö. Flügel
Hochasiens die Mongolei. Von den Chinesen wird das große, von Sedimenten und Sanden
bedeckte Gebiet n. vom Kuenlun als Han-hai, d.i. Trockenes Meer, zusammengefaßt, und in
der Tat ergeben die tertiären Ablagerungen eine ehemalige Wasserbedeckung, vermutlich mit
Süßwasserseen. Die Grenze des Han-Hai wird verschieden aufgefaßt und gewöhnlich das Tarim-
Becken, also Ost-Turkestan, davon ausgeschieden. — Jnner-Hochasien gehört bis auf den Pamir
und die Abdachungen der Randgebirge nach außen zu China, aber in der Mongolei und in
Tibet ist diese Zugehörigkeit so zweifelhaft geworden, daß die neue Republik gleich zwei große
Flügellandschaften tatsächlich zu verlieren scheint.
1 Durch die drei preußischen Turfan-Expeditionen, 1902—1906, ist aus der zerstörten Stadt Chotscho, deren
mächtige, bis 20 m hohe Mauern noch erhalten sind, ein überaus inhaltreicher Fund von Schriften und Bildwerken
heimgebracht worden. Sie ergeben, daß hier, in der Scythia ulterior des Ptolemäus, ein Volk mit roten Haaren und
blauen Augen gehaust hat, dessen Sprache dem Gräko-Jtalischen ebenso nahegestanden hat wie dem Germanischen.
Die Fundschätze sind im Museum für Völkerkunde zu Berlin ausgestellt.
2 Benannt nach dem erfolgreichen englischen Reisenden, 1860—1861.